Törnberichte

West-Kanada

  • Montag, 31. Oktober 2011
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Es gibt eine Zeit zum Reisen und es gibt eine Zeit, inne zu halten.
Es gibt eine Zeit zum Lachen und es gibt eine Zeit zum Weinen.
Es gibt eine Zeit zum Umarmen und es gibt eine Zeit, die Umarmung zu lösen.
Es gibt eine Zeit zum Schreiben und es gibt eine Zeit zum Lesen....

 

Heute ist Mein Tag zum Schreiben, vielleicht Dein Tag zum Lesen. 
Ich sitze in Schwarzenberg in der Natur. Die umliegenden Berggipfel sind von einem Hauch Schnee bedeckt, der tiefblaue Himmel gibt dazu einen kräftigen Kontrast. Die Bäume zeigen ihr herbstliches Farbenspiel. Es ist Mitte Oktober und ich spüre immer noch die Kraft der Sonne auf meinen Backen.
Seit Mitte September sind wir auf Heimaturlaub und geniessen die Zeit mit unseren Familien und Freunden sehr. 

Gerne erinnern wir uns an die 5 Wochen, in welchen wir den Westen Kanadas mit einem Van bereist haben. Lass mich dir über ein paar Höhepunkte berichten.

Mitte August treffen wir in Vancouver ein. Melanie und Michael empfangen uns freudig am Flughafen und lotsen uns mit dem Skytrain direkt zu unserem Hotel. Endlich sehen wir die Kinder ''zufällig'' wieder und können einen Tag miteinander verbringen, bevor sich die beiden nach Sprachaufenthalt und Ferien von Vancouver wieder verabschieden müssen.
So zeigen uns die privaten Reiseführer die wunderschöne, lebensfrohe und überaus saubere Grossstadt. Wir sehen die bekannte, dampfbetriebene englische Uhr in der Altstadt, bestaunen die prächtige Hafenanlage, schlendern durch viele Einkaufsstrassen, stärken uns zwischendurch mit feinstem Kaffee und kleinen Naschereien und sind beeindruckt von der Sauberkeit der Stadt. Alles hier ist so perfekt, wir werden richtig überrumpelt. Von unseren letzten Aufenthaltsorten sind wir uns anderes gewohnt. Schon lange fühlten wir uns nicht mehr so verwöhnt.
Das grosse Naherholungsgebiet am Stadtrand, den Stanley Park, entdecken wir per Velo. Im mit Seerosen und Hyazinthen bedeckten Teich wohnen Fische und Schildkröten, Libellen tanzen summend um die farbigen Blüten und unter der Brücke versteckt sich die Waschbärenfamilie. Den eindrücklichen Tag beschliessen wir mit einem leckeren Schmaus  in einem Fischrestaurant am Wasser.

Am zweiten Tag geben uns der mit Blumen übersäte Queen Elisabeth Park, der auf einer Anhöhe liegt und das Drehrestaurant des Hotels Landmark einen Eindruck über die gewaltige Fläche der Stadt. Wir bewundern einmal mehr das gelungene Stadtbild. Die Architektur, die Grünflächen und die Aussenbezirke sind zwischen dem Meer und den umliegenden Bergen harmonisch eingebettet. Vancouver erobert unser Herz.

Ab heute sind wir Vollblutcamper. Den Van in Empfang genommen und Esswaren und Getränke gebunkert, fahren wir auf den ersten Übernachtungsplatz. Da machen wir uns zuerst einmal vertraut mit unserem neuen Zuhause, richten uns gemütlich ein und kochen das erste Nachtessen. Das geht ja alles recht gut. Auch die erste Nacht im kurzen Bett schläft sich wider Erwarten ganz bequem.
Nach der warmen Freiluftdusche am nächsten Morgen fahren wir los. Unser Ziel ist Victoria, die Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia auf Vancouver Island. Die riesige Fähre kurvt zwischen vielen Inselchen durch enge Fjorde. Das Wetter ist strahlend schön, was diese Fahrt zu einem Höhepunkt werden lässt. Im altehrwürdigen Fairmont Hotel in Victoria schlemmen wir den weltbekannten Afternoon Tea nach englischer Tradition. Das Nachtessen lassen wir für heute gut sein.

Vancouver Island lädt uns zum ersten Spaziergang durch einen Douglasien- und Zedernwald ein. Die Bäume weisen einen beeindruckenden Umfang und eine riesige Höhe auf. Sie sind zwischen 400 und 600 Jahre alt. Die Energie und die Kraft dieser Baumriesen ist gewaltig, ebenso ihre Geschichte, die sie zu erzählen haben. Wie wunderbar spüren wir nach einer so langen Zeit auf dem Wasser das Element Holz. Wir können uns wieder mal so richtig erden. Unsere Lungen tanken sich mit der sauerstoffreichen Luft auf. Diese ist feucht schwer und riecht nach Moor, Moos und frischem Harz, einfach herrlich!
Wann immer wir auf unserer Reise die Gelegenheit haben, schlüpfen wir in unsere Wanderschuhe und streifen auf den überall sehr gut bezeichneten Wanderwegen durch einen winzig kleinen Teil der immens grossen Waldfläche Kanadas.

In Tofino, einem romantischen Städtchen an der Küste, hören wir auf einem Strandspaziergang zum ersten Mal die Wellen des Pazifik rauschen. Wir hoffen doch, dass uns dieses Weltmeer nächstes Jahr ebenso gut gesinnt ist wie es dieses Reisejahr der Atlantik war. Zum Meeresgott Poseidon habe ich auf jeden Fall schon mal Kontakt aufgenommen.

Ein weiteres Highlight erwartet uns hier in Tofino. In wasserfester Vollmontur besteigen wir ein Zodiac, ein motorenstarkes Schlauchboot und flitzen über die fast spiegelglatte See zum ersten Tummelplatz der Grauwale. So langsam vertreibt die immer kräftiger werdende Sonne die letzten Nebelschwaden, und schon bald entdecken wir die unglaublich grossen Meeressäuger. Wir sehen sie nicht nur, wir riechen sie auch. Denn nachdem Grauwale einige Minuten am Grund gefressen haben, kommen sie an die Wasseroberfläche zurück und stossen ihren lang angehaltenen Atem aus. Und ich versichere dir, dieser zäh in der Luft hängende Geruch entgeht keiner Nase. 
Unser Kapitän bekommt per Funk einen Hinweis und steuert unser Schiff Richtung offenes Meer. Hier sollen sich Buckelwale aufhalten. Nur etwa 150 Meter von uns entfernt schiesst plötzlich ein Riesenkoloss aus dem Wasser und platscht mit voller Kraft seitlich zurück ins tiefe Meer. Und dieses Schauspiel wiederholt sich noch zweimal. Uns bleibt nur das grosse Staunen. 

Vancouver Island erleben wir als wunderschönes Reisegebiet mit sehr freundlichen Menschen. Doch die Zeit drängt, wieder die Fähre aufs Festland zu nehmen, denn wir möchten auf unserer Reise noch mehr Gebiete von British Columbia, die Provinz Alberta, einige Nationalparks und die Rocky Mountains erkunden.
Wir teilen unsere Zeit, die wir Richtung Norden fahren so ein, dass wir täglich eine gewisse Wegstrecke zurück legen, uns aber immer auch für einige Stunden in der Natur aufhalten. Je höher wir in die Berge kommen, umso mehr konzentrieren sich unsere Wanderungen hin zu Wasserfällen. Die Natur bietet uns ein gewaltiges Schauspiel. Der eine Wasserfall hat sich in den letzten Millionen Jahren so tief ins Gestein genagt, dass das Wasser gute 100 Meter in die Tiefe stürzt. Ein anderer demonstriert seine Wucht damit, dass er Gletschermühlen hinterlässt, der nächste donnert mit voller Kraft durch einen engen Canyon und reisst die grössten Baumstämme mit. Wege und Brücken bringen den Besucher so nahe zum Gefälle, dass die Energie der tosenden Wassermassen deutlich zu spüren ist.

Die Infrastruktur in Kanada für ''fahrende'' Touristen ist hervorragend. Es gibt jede Menge staatliche oder private Campingplätze, die für $17 bis $40 einen meist grosszügigen Platz anbieten. Je nach Preisklasse erhält man frisches Wasser, Strom, Abwasseranschluss und Holz für das Grillfeuer. 
Unser Van hat den grossen Vorteil, dass er klein und wendig ist. Wenn immer möglich nutzen wir die Gelegenheit, erkunden eine offene Waldstrasse und haben doch einige Male das Glück, einen einsamen Übernachtungsplatz in einer Lichtung oder am Fluss in der Wildnis zu finden. Leider will uns nie ein Bär besuchen. Einen solchen sehen wir jedoch ganz unverhofft morgens auf einer Fahrt. Er knabbert gemütlich an den Sträuchern am Waldrand nahe der Strasse. 
Wenn immer es einen Stau gibt auf Kanadas Strassen kommt er von den Touristen, die Bären, Hirsche oder Rehe fotografieren, die auf der Wiese neben der Strasse äsen. 
In Banff zum Beispiel schwimmt ein Reh vom gegenüberliegenden Flussufer gerade auf uns zu, steigt an Land und frisst die Beeren von den Sträuchern, nur zwei Meter von uns entfernt. Die Wildtiere sind sich anscheinend an uns Menschen gewohnt. 

Wer verbindet Kanada nicht mit Lachs! Laut Reiseführer sind wir genau zur richtigen Zeit im Land, in welcher die Lachse auf ihrem Weg zur Quelle schwimmen, um an ihrem Geburtsort zu laichen und danach zu sterben. Wir besuchen einige Orte mit Stromschnellen, bei welchen man anscheinend die Lachse während ihrem Aufstieg beobachten kann. Zu unserer Enttäuschung sehen wir keinen einzigen Lachs springen. Was wir aber mit grossem Interesse beobachten sind Fischer, denen es vom Staat erlaubt wird, Lachse zum eigenen Gebrauch mit Netzen zu fangen. Es sind Menschen indianischer Abstammung, die für ein paar Tage am Fluss ihr Wohnmobil aufstellen und mit dem Lachsfang ihren Nahrungsvorrat fürs kommende Jahr aufbessern. Die frischen Fische werden sofort ausgenommen, speziell eingeschnitten, leicht gesalzen und an der Luft getrocknet. So sind sie über ein Jahr lang haltbar. Und wie fein schmeckt nicht nur dieser Leckerbissen, sondern auch der frische Lachs oder die ''Chnebeli'', die mit Ahornsirup getrocknet sind. Wir lassen es uns kulinarisch gut gehen. 

Immer wieder auf der ganzen Reise durch Kanada entdecken wir Streifenhörnchen. Diese munteren Tiere sind viel kleiner als unsere einheimischen Eichhörnchen, aber dreimal flinker. Jede Begegnung mit einem solchen Nagetier wird zum lustigsten Ereignis. Wir müssen einfach zuschauen. Die Hörnchen wirken völlig nervös. Sie können sich gar nicht langsam bewegen. Die springen von einer Position in die andere, pfeifen dabei fast wie ein Vogel, knabbern in einem Höllentempo mit ihren Nagezähnen einen frischen Tannenzapfen ab, hüpfen wieder zu einem Wurzelloch und vergraben einen Vorrat, wühlen im Boden nach alten Schätzen und schon rattern sie über viele Äste zum nächsten Leckerbissen. 
Einmal beobachten wir ein Streifenhörnchen, das einen Pilz, der auf dem Waldboden liegt und dreimal grösser ist als es selber, in ein Versteck schleppen will....
Wenn du den Film Ice Age kennst, kannst du dir eine solche Szene noch viel besser vorstellen. 

Wir befinden uns inzwischen auf ungefähr 1500 Metern Höhe am Rand der Rocky Mountains, im Gebiet der vielen, kleinen Seen. Sie zeigen die unterschiedlichsten und kräftigsten blau-grün-türkis Töne, die anscheinend dadurch entstehen, dass sich im Wasser der Gletscher Mineralien ausschwemmen. 
In der einen Nacht schneit es bis auf 2000 Meter, das Thermometer zeigt minus 4 Grad. Wie froh sind wir um die Heizung, die uns nachts im Van die nötige Wärme spendet. Zum Glück macht unser Durchlauferhitzer warmes Wasser für die morgendliche Dusche im Freien....
Die Wanderung anderntags führt uns in den Schnee. Es ist bitterkalt. Heute haben wir  Schichtenlook, das heisst, wir tragen all unsere warmen Kleider übereinander. Doch es ist herrlich. Die Bergwelt strotzt vor sich hin, die Gletscher vermitteln Geschichte, sind mit einer schneeweissen Haube bedeckt, von der Sonne beschienen, nur wenige weisse Wolken hängen im tiefblauen Hintergrund. Die ganze Grösse und Weite dieses Landes lässt uns tief durchatmen und all die Naturschönheiten aufsaugen. 

Für eine gute Woche durchfahren wir den Icefield Parkway, immer ein bisschen mehr Richtung Meer. Allmählich geht nämlich unsere Rundreise dem Ende entgegen. Die Fahrt nach Vancouver führt uns durchs sommerlich warme Okanagan Valley mit seinen üppigen Fruchtplantagen. In Kelowna besuchen wir meine Ex-Schwägerin Karin mit ihrer Familie. Sehr herzlich werden wir in ihrem wunderschönen Haus aufgenommen und zwei Tage lang nur verwöhnt. Von einem solchen Ferienabschluss hätten wir nicht zu träumen gewagt.

In viereinhalb Wochen sind wir 3700 km gefahren und sind glücklich, dass uns das Fahrzeug heil zurückgebracht hat. Mit unvergesslichen Erlebnissen und grosser Vorfreude besteigen wir in Vancouver das Flugzeug nach Hause. 

Inzwischen weilen wir schon fast 6 Wochen in der Heimat und geniessen den wunderschönen Altweibersommer. Wir haben unsere Familien und Freunde besucht und soviel Liebe erhalten. Ganz herzlichen Dank allen für die Gastfreundschaft. Am 2. November fliegen wir zurück nach Guatemala zu unserer Samuri.

Evelyne

 

Christian schreibt: 

Einmal mehr wurde mir bewusst, wie nahe Freud und Leid beieinander liegen.

Der obligate Check beim Hautarzt in der Schweiz hat ergeben, dass ich am Ohr ein Melanom habe. Der kleine, unscheinbare Aufbau, der sich seit einem halben Jahr gebildet hatte, war bösartiger schwarzer Hautkrebs.
Die Diagnose war für uns anfänglich ein grosser Schreck. Unser ganzes Unternehmen kam zeitlich ins Wanken. Es war die Rede von anstehenden Untersuchungen und Therapien, die je nach Fortschritt der Krankheit Monate dauern könnten. Der Gedanke, dass unsere Reise vorzeitig unterbrochen oder gar gestoppt würde, passte so gar nicht in mein Konzept. 
Dann verlief jedoch alles äusserst positiv und schnell, unseren Himmelshelfern und einem kompetenten Ärzteteam sei Dank! Innert Rekordzeit wurde ich operiert. Aufatmen konnten wir, als die Untersuchung der entnommenen Lymphknoten ergab, dass ich noch keine Ableger im Körper hatte. Ein paar Monate später hätte das vermutlich anders ausgesehen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich nochmals eine Chance bekommen habe und wir unsere Reise mit lediglich zwei Wochen Verzögerung fortsetzen dürfen.

Die Lehren daraus? Nichts ist unendlich. Auch ich bin verletzlich. Geniesse das Jetzt, man weiss nie was morgen ist. Sonnenschutz Faktor 50 und bessere Körperbedeckung in der prallen Sonne anwenden. 

 

In diesem Sinne freuen wir uns auf neue Erlebnisse und grüssen euch herzlich

Evelyne & Christian

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