Törnberichte

Guatemala

  • Dienstag, 23. August 2011
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Buenos dias, amigos!

Unsere geplante Reise ins Hochland von Guatemala kam ganz bedenklich ins Wanken, nachdem wir die Reisebestimmungen des EDA (eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) durchgelesen haben. Darin wird vor Reisen in Touristenbussen, vor Überfällen auf offener Strasse und sogar Kidnapping gewarnt. Doch das lange und klärende Gespräch mit dem Ehepaar, das die Tortugal Marina führt und über viel Reiseerfahrung in Guatemala verfügt, liess uns unsere Pläne wieder aufnehmen.

Am Dienstagmorgen, den 19. Juli, besteigen wir in Rio Dulce den öffentlichen Bus nach Guatemala-City. Die recht angenehme Fahrt gibt uns einen ersten Eindruck über die Landschaft. Alles ist so saftig grün und üppig überwachsen. Die Dörfer wirken durch die emsigen Leute lebendig, auch Hunde und Hühner leben auf der Strasse. Der Bus schlängelt sich über mehrere kleine Pässe, zum Teil durch enge Täler, und gewinnt immer mehr an Höhe. Seit langer Zeit müssen sich unsere Ohren wieder einmal einem neuen Höhendruck anpassen.
Nach fünf Stunden erreichen wir Guatemala-City und lassen uns mit dem Taxi in die Zone 9 führen, in welcher unser Hotel liegt. Der grosszügige Eingang und die riesige Hotelhalle bringen uns zum Staunen. Wie viele Monate haben wir uns nicht mehr in der uns gewohnten Zivilisation aufgehalten und fast vergessen, wie schön und sauber alles sein kann. Ich komme mir gerade etwas „underdressed“ vor.

Guatemala-City ist die grösste Stadt in Zentralamerika und hat etwa 3 Millionen Einwohner. Sie liegt auf einem Plateau auf 1‘468 m über Meer und ist allseitig umgeben von Bergen und Vulkanen. Sie ist eingeteilt in 21 „Zonas“. Den Touristen wird empfohlen, sich nur in einigen wenigen Zonen aufzuhalten und sich nachts nur mit dem Taxi zu bewegen. Gerne halten wir uns an diese Bestimmungen. Tagsüber aber fühlen wir uns absolut sicher.
Guatemala-City wird in den Führern mit seinen historischen Gebäuden und hervorragenden Museen als lohnenswert bezeichnet. Da unsere Hauptinteressen nicht unbedingt in der Kunst liegen, können wir dieser Grossstadt gar nicht so viel Positives abgewinnen. Wir erleben die durch hunderte von Russ speienden Bussen und unzähligen Autos verursachte hohe Luftverschmutzung als sehr unangenehm. Auch diese Stadt steht wie viele Metropolen der Welt vor schier unlösbaren Problemen: Verkehrschaos, ineffiziente Verwaltung, stetig zunehmende Raubüberfälle und Morde, korrupte Polizei, schnell wachsende Slums in den Randbezirken und krasse soziale Unterschiede. Im verwahrlosten Zentrum fehlen Investitionen und infrastrukturelle Verbesserungen. Trotz einiger sehenswerten Gebäuden wird es noch lange dauern, bis „Guate“ eine liebenswerte Stadt sein wird.

Wir nutzen die folgenden zwei Tage, um Einkäufe zu tätigen, die in den vorher bereisten Ländern unmöglich waren. Wir kaufen uns zum Beispiel richtige „Tramper-Rucksäcke“. Ja, jetzt gehören wir auch dazu! Ich wage es sogar, mir in einem Coiffeursalon die Haare schneiden zu lassen. Die sind nämlich definitiv zu lang und geben viel zu heiss. Ich bin froh, ich gefalle Christian immer noch.

Voll bepackt und wunderbar gesättigt durch das reichhaltige Frühstücksbuffet steigen wir am Morgen des 21. Juli in einen Touristenbus nach Panajachel. Es geht für vier Stunden bergauf und bergab. Stellenweise sind die Strassen in sehr gutem Zustand, dann kommt eine Passage, auf welcher die Chauffeure riesigen Löchern ausweichen müssen, manchmal bis auf die gegenüberliegende Fahrbahn. Doch der Verkehr läuft keineswegs hektisch ab. Jeder nimmt Rücksicht auf den anderen. Nur die farbigen Linienbusse, die sogenannten „Chicken Buses“, jagen einem einen Schrecken ein, wenn sie in höllischem Tempo überholen, im besten Fall sogar in den Kurven.

Das letzte Stück unserer Fahrt führt uns steil den Berg hinunter zum Lake Atitlan. In den folgenden Tagen werden wir ein paar Städtchen rund um diesen See besuchen. Wegen der steil abfallenden Küsten sind einige nur über den Seeweg zu erreichen. So steigen wir in Panajachel in ein Transportschiffchen, in eine sogenannte Lancha. Die abenteuerliche Wellenfahrt endet in San Marcos an einem wackeligen Holzsteg. Da stehen mindestens zehn Jungs bereit und streiten sich buchstäblich darum, wer unsere Rucksäcke zu unserem Hotel schleppen darf. Natürlich machen sie das nicht gratis. Und Neuankömmlinge wie wir, die sich im Voraus nicht um die einheimischen Tarife kümmern, überzahlen die Träger masslos. Aber was soll‘s.
Unser Hotel klebt an einem üppig bewachsenen Steilhang. Es ist unglaublich, dass sich Leute wagen, an diese Felswände Häuschen zu hängen. Ein Felsbrocken ragt sogar in unser Zimmer. Nachtessen gibt es in einem Restaurant am See. Wie schon lange nicht mehr, ziehen wir uns lange Hosen und eine Jacke über. Es ist merklich kühler im Hochland.

Das nächste Dorf erreichen wir wieder mit einer Lancha. San Pedro zeigt einen ganz anderen Charakter als San Marcos. Es ist voll von einladenden Cafés mit eigener Kaffeerösterei und übersät von gemütlichen Restaurants mit Seeblick. Nicht zu vergessen sind natürlich die bunten Handwerksläden, die die typisch guatemaltekisch bestickten Blusen, bunten Taschen, Decken und diverse andere Souvenirs anbieten. Es wimmelt hier von Feriengästen. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass hier Überfälle oder Verbrechen auf Touristen geschehen können. Alle Leute sind so freundlich und strahlen eine positive Lebenseinstellung aus.

Am fünften Reisetag machen wir einen Zwischenstopp in Santiago. Schon beim Landeplatz der Lancha werden wir von Frauen überrumpelt, die uns ihre Waren verkaufen wollen. Tücher und Decken tragen sie auf Armen und Schultern, Kleinwaren transportieren sie in einem schweren Korb auf dem Kopf. Es wird uns oft zuviel und ist dann störend, wenn wir in einem Restaurant am Essen sind.
Der Platz wimmelt auch von Tuktuk-Fahrern, die Gäste zu ihren Hotels fahren möchten. Für eine Stunde mieten wir einen Fahrer und rattern mit dem motorisierten Dreirad auf den Pflastersteinstrassen rund um Santiago zu seinen sehenswerten Orten. Danach führt uns eine Lancha zurück nach Panajachel. Da sich Christian recht stark erkältet hat und seine Atemwege zu sind, mieten wir im Hotel am Abend für eine Stunde den Whirlpool. Der aromatische Eukalyptusduft und der heisse Tee geben Christians Nase und Nebenhöhlen etwas Erleichterung.

Sechster Reisetag. Wir sitzen im Shuttlebus zum grössten Handwerkermarkt in Guatemala, nach Chichicastenango. Wir kommen mit Marilyn und Jennifer ins Gespräch. Es sind Mutter und Tochter aus Dallas, die schon zum vierten Mal hierher kommen. Gerne profitieren wir von ihren Erfahrungen und lassen uns von den beiden Frauen direkt ins bunte Marktgeschehen führen.
Dieser Markt ist grundsätzlich nicht für uns Touristen gedacht. Es ist ein Handelsmarkt für die Maya. Sie kommen zweimal pro Woche aus den Bergen und bieten ihre Handwerksarbeiten zum Verkauf an, die sie oder die Familiensippe selber hergestellt haben oder sie decken sich mit Lebensmitteln ein. So bewegen wir uns für die nächsten vier Stunden mitten im lauten Treiben der kleinen emsigen Guatemalteken. Natürlich feilschen wir auch und erwerben ein paar Erinnerungsstücke der guatemaltekischen Kunst.
Die wenigen Touristen verschwinden im Rummel der Einheimischen. Christian und ich haben kein Problem, dass wir einander in diesem Getümmel verlieren könnten. Die Maya sind ein so kleingewachsenes Volk, dass sogar ich über die meisten Leute hinweg blicken kann. Das eindrücklichste Erlebnis erhaschen wir vor der Kirche. Es ist ein organisiertes Durcheinander: betende Männer, brennende Kerzen, dampfender Weihrauch, sitzende Frauen, spielende Kinder, hunderte von farbigen Blumen, Waren zum Verkauf... Christian und ich halten einfach mal einen Moment lang inne und nehmen dieses Bild mit all unseren Sinnen wahr.

Die Stadt Antigua ist unser heutiges Ziel. Sie liegt zwischen dem Lake Atitlan und Guatemala. Die Busfahrt führt uns sicher zu unserem Hotel, das in einer sehr schönen Gartenanlage liegt. Im Zimmer haben wir sogar ein Cheminée und wir fühlen uns am Abend im Bett vor dem brennenden Feuer und in die Glotze starrend fast wie zuhause in der kalten Schweiz.

Heute morgen packen wir Rucksack und Wanderschuhe. Nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir den Ausgangspunkt des Vulkans Pacaya. Mit unserem Führer Roni besteigen wir den Vulkan bis zur erlaubten Höhe. Anfänglich wandern wir durch den Wald, der sich aber immer mehr lichtet. Das letzte Stück gehen wir auf der kargen, dunkelgrauen, harten Lawa weiter. Roni erzählt uns, wie er den letzten Ausbruch des Pacaya im Mai 2010 erlebt und dabei all sein Hab und Gut verloren hat.

Den Charme der Stadt Antigua erkennen wir erst am nächsten Tag bei einer Stadttour mit Elisabeth Bell. Die Amerikanerin wohnt seit bald dreissig Jahren hier und gibt uns während ihrer spannenden Führung sehr viele Informationen über die Geschichte, die Politik und über die Lebensweise der Leute von Antigua.

Zehn Reisetage sind im Nu verstrichen und schon sitzen wir wieder im Bus nach Rio Dulce. Etwa 40 km vor unserem Ziel liegt der Verkehr lahm. Hunderte von Lastwagen stehen dicht hintereinander vor uns. Der Buschauffeur tastet sich ganz langsam auf der Überholspur vorwärts und zieht an den stehenden Camions vorbei. Dabei sehen wir etwas für uns ganz Fremdes. Die Lastwagenchauffeure haben es sich unter ihren Fahrzeugen im Schatten gemütlich gemacht. Einige haben sogar die Hängematte gespannt, andere picknicken mit Frau und Kindern am Boden. Niemand ist nervös oder ungeduldig.
Plötzlich stoppt auch unser Bus, eine Weiterfahrt ist unmöglich. Wir werden informiert, dass die Lehrer höhere Löhne fordern und deswegen die Strasse gesperrt halten. Voraussichtlich werde es noch lange dauern, bis der Streik beendet sei. So winken wir dem nächsten Tuktuk, steigen um und schlängeln uns damit auf engstem Raum zwischen Lastwagen, Autos und Menschenmengen durch bis zum Punkt, an welchem auch dieses kleine Fahrzeug kapitulieren muss. Zu Fuss überqueren wir die Strassensperre und schon wartet ein Bus auf uns. Heute verdienen die Chauffeure gut. Des einen Freud, des anderen Leid. Masslos überfüllt und in einem Höllentempo saust der halbe Schrottwagen in der brütenden Hitze nach Rio Dulce. Wir kommen am Ende unserer Reise doch noch in den Genuss, die Atmosphäre eines „Chickenbus“ zu erleben.
Wie geniessen wir das erfrischende Bad im See in der Marina Tortugal!

Innerhalb der letzten Monate haben Handwerker in der Marina ein neues Haus zum Übernachten für Backpackers aufgebaut. Dieses wird heute mit einem Fest eingeweiht. Schon am Mittag spielt Musik auf und es wird den Gästen feines Essen serviert. Am Abend findet dann der Höhepunkt statt. Ein Mayapriester führt eine lange Zeremonie nach dem Kult des Maximon durch, um das Haus vor Feuer, fremden Geistern und schlechten Energien zu schützen. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir an diesem spirituellen Ritual teilhaben dürfen. Schmunzeln muss ich ein bisschen über die Bekleidung des Priesters. Ich habe mir in meiner Vorstellung ausgemalt, er werde in einem feierlichen Gewand erscheinen. Er hingegen zelebriert in normalen Jeans und einem T-Shirt von Hollister.

Wir sind nur ein paar Tage in der Marina und schon machen wir uns wieder auf die Reise. Wenn wir schon in Guatemala sind, wollen wir uns den grössten Mayatempel nicht entgehen lassen. So bringt uns die vierstündige Busfahrt diesmal Richtung Norden nach El Remate, wo wir übernachten.
Schon morgens um 6 Uhr stehen wir am Tor von Tikal und zählen zu den ersten Besuchern dieser riesigen Tempelanlage, die sich über 15 km/2 erstreckt. Es ist unmöglich, jede einzelne Ausgrabung zu erkunden. So führt uns unser Guide Samuel gezielt zu den wichtigsten Tempeln und erklärt uns dazu den geschichtlichen Hintergrund. Wir sind überaus beeindruckt von der Baukunst und dem astronomischen Wissen dieses Urvolkes. Am frühen Nachmittag ist unsere Aufnahmekapazität erreicht und wir fühlen uns schlapp. Es ist erdrückend schwül. Da hilft nur noch ein „Powernap“ in der Hängematte im Schatten.

Am dritten Tag unserer Kurzreise unternehmen wir eine 6 km lange Wanderung auf einem Pfad durch den Urwald. Wir hören munteres Vogelgezwitscher in allen Tonlagen, leider aber entdecken wir den Quetzal mit seinem schillernd grün-goldenen Federkleid nicht. Dies wäre der Nationalvogel von Guatemala. Doch wegen seinen begehrten Schwanzfedern wurde er beinahe ausgerottet und ist heutzutage leider selten zu sehen. Umso mehr erfreuen wir uns an den drolligen und kreischenden Affenfamilien, den Spider Monkeys, die sich in den hohen Baumwipfeln von Ast zu Ast schwingen. Die schwarzen und stattlichen Brüllaffen veranstalten einen unglaublichen Lärm, der Löwengebrüll ähnelt. Zu den eher unerwünschten Tierchen zählen die Moskitos. Zum Glück haben wir uns von Kopf bis Fuss gut mit Mückenmittel eingerieben.
Am Nachmittag dann reisen wir zurück nach Rio Dulce.

Wir sind überglücklich, dass wir „Guatemala, das Land mit den vielen Bäumen“, so problemlos bereisen durften. Wir fühlten uns in den Bussen, den Dörfern und während allen Führungen sicher und kamen nie in eine zweifelhafte Situation.

In den verbleibenden vier Tagen in der Marina arbeiten wir wie fleissige Bienchen. Samuri muss gut vorbereitet sein auf ihre Ferien. Wir packen alles zusammen und fliegen am Mittwoch, den 11. August nach Vancouver.

Während du diesen Blog liest, sind wir irgendwo mit einem gemieteten Van in Westkanada am Umherreisen. Hier treffen wir auf eine uns nicht fremde, aber gegenüber der Karibik wiederum völlig andere Kultur, Flora und Fauna. Ja, und danach gibt es endlich den lang ersehnten Heimaturlaub.

Geniesst den verbleibenden Sommer und seid herzlich gegrüsst

Evelyne & Christian

2 Kommentar(e):

  • äschi
  • Mittwoch, 24. August 2011
  • 10:23

Lebenszeichen

Liebe Weltenbummler es macht immer total Freude, die informativen, spannenden und "süffig" geschriebenen Berichte zu lesen. Ich wünsche euch weiterhin ein unfallfreies Abenteuer und in jeder Hinsicht alles Gute. Liebe Grüsse äschi

  • Harald & Annette
  • Dienstag, 6. September 2011
  • 20:38

Gruss aus der Schweiz

Immer wieder spanned eure Bereichte zu lesen. Gruss und noch weiterhin viel Spass geniesst das!!

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