Törnberichte

Tonga

  • Sonntag, 3. August 2014
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Am 21. Mai lande ich um die Mittagszeit in Tonga. Ich Glückliche habe einen angenehmen Flug hinter mir, während Christian mit seiner Crew innert 9 Tagen die gut 1000 Seemeilen von Neuseeland hinter sich gebracht hat. 
Wer sich im Detail über die sehr angenehme bis anspruchsvolle und ruppige Überfahrt informieren will, kann dies in den Tagesberichten in "Standort" auf unserer Webseite nachlesen.  

Volkmar fliegt an meinem Anreisetag zurück nach Auckland und Iris und Greg, die anderen beiden Crewmitglieder, erholen sich für zwei Tage in einem kleinen Bungalow am Strand. Nachher fliegen auch sie nach Neuseeland zurück. Sie wollen ihren frisch erstandenen Bus herrichten, um damit so bald wie möglich auf Reisen zu gehen.

Der Segeltripp hat Spuren hinterlassen. Samuri sieht recht unordentlich aus, ist völlig eingesalzen und es wartet ein Berg Wäsche. Wegen dem ruhigen Hafenbecken, in welchem wir liegen und der Vorfreude im Herzen auf unseren Besuch, komme ich mit Aufräumen und Putzen zügig vorwärts.

Susanne und Roland sind glücklich in Tongatapu, der Hauptinsel Tongas, gelandet. Beinahe wäre es schief gegangen. Die Flüge waren über die USA gebucht, Roland aber besitzt keinen biometrischen Pass. Einer spontanen und äusserst hilfsbereiten Angestellten der Fluggesellschaft sei gedankt! Innerhalb von zwei Stunden organisierte sie eine völlig neue Reiseroute über Asien bis nach Auckland, und Susanne und Roland erreichten immer noch rechtzeitig den Flug nach Tonga. 

Von jetzt an ist Erholung angesagt. Die ersten beiden Tage bleiben wir in der Hauptstadt Nuku'alofa, damit sich unsere Gäste akklimatisieren können. Hier lohnt es sich, durch den Früchte- und Gemüsemarkt und durch den Handwerkermarkt zu schlendern. Jeder der geflochtenen Körbe ist ein kleines Meisterstück, mit stundenlangem Fleiss und handwerklichem Können aus getrockneten Blättern der Pandanusspflanze  angefertigt. Nicht nur diese, sondern auch die bemalten Tapa, die Matten aus der Rinde des Maulbeerbaumes, haben es Susanne angetan. Und sie deckt sich doch gleich mit ein paar Souvenirs ein.  

Die Inselrundfahrt mit einem kleinen Mietauto gibt uns die Gelegenheit, die Landschaft, die Natur und ein paar Dörfer dieser neuen Kultur kennen zu lernen. Kaum bewegen wir uns vom Hauptort weg, kommen wir in recht armselige Gegenden. Diese Menschen haben wirklich nicht viel zum Leben. Doch sie winken uns alle freundlich zu und rufen "Malo lelei".
Entlang der südwestlichen, in Terrassen abfallenden Felsküste, machen wir einen Stopp bei den Blowholes. Hier schiesst die Gischt durch hunderte Gesteinsöffnungen bis zu 20 Meter fontänenartig in die Höhe. Beim hohen Druck, mit dem das Wasser durch die Blaslöcher gepresst wird, entsteht ein lauter Ton, der sich anscheinend an stürmischen Tagen zu einem ohrenbetäubenden Lärm steigern kann. 
Nach dem Picknick aus unseren Taschen trinken wir in einem Ressort Kaffee. Das Haus scheint völlig ausgestorben zu sein und sieht mit seinen erst sieben Jahren Betriebszeit schon recht verwittert und ungepflegt aus. Wir treffen eh nur wenige Touristen an in Tonga, was sich aber bestimmt bald ändern wird. Riesige Buckelwale kommen nämlich zwischen Juli und November aus der kühlen Antarktis in die seichten, tropisch warmen Gewässer Tongas, um hier ihre Jungen zu gebären und aufzuziehen. In Tonga ist es gestattet, mit den Walen zu schwimmen und zu schnorcheln. Und das ist d i e Touristenattraktion hier.  

Lustige Unterhaltung finden wir beim letzten Unterbruch unserer Fahrt im Westen Tongatapus. Hunderte von Flughunden hängen mit den Köpfen nach unten in den Kasuarinenbäumen, die entlang der Strasse stehen. Es ist ein Gewimmel und eine ständige Unruhe. Manchmal fliegt einer zu einem anderen Ast und drückt sich zwischen seine Artgenossen. Von unten her können wir richtig gut in die drolligen Gesichten sehen. Die Spannweite eines Flughundes kann bis zu 70 cm betragen. Diese Tiere sind in Tonga bis heute heilig. Sie dürfen nur von Mitgliedern der königlichen Familie gejagt werden. Der Legende nach stirbt eines ihrer Mitglieder, wenn ein Albino Flughund geboren wird. 

Tonga ist übrigens das einzige noch existierende Königreich Polynesiens. Staatsoberhaupt ist König Siaosi Topu V. Die gesetzgebende Versammlung setzt sich aus dem König, einem von ihm eingesetzten Kronrat sowie neun von den Adelsfamilien ernannten und neun vom Volk gewählten Abgeordneten zusammen. 
Mitte der 1980er-Jahre formierte sich eine Demokratiebewegung, die unter anderem eine grundsätzliche Reform des politischen Systems und Beschränkungen der Machtbefuge der königlichen Familie einforderte. Es gab grosse Unruhen und Ausschreitungen. Die Menschen wollten eine neue Verfassungsreform, denn die korrupte Führungselite hatte sich immer mehr von den Bedürfnissen der Bevölkerung abgewendet. Es gab so viele ökonomische Fehlentscheidungen, dass das Volk immer mehr verarmte. So könnten Tongas Einwohner gar nicht überleben, wenn nicht ein grosser Teil der Familien ständig im Ausland arbeiten und sie finanziell unterstützen würden.
Der Industriesektor ist schwach ausgebildet, in den Export nach Japan, die USA und NZ gehen Bananen, Kokosnüsse, Vanille und Aloe. Tonga lebt also sehr stark von der Entwicklungshilfe. 

Unsere Gäste wollen endlich schwimmen gehen. So verlassen wir den Hafen und führen die beiden auf dem ersten kleinen Schlag zur Insel Pangaimotu in die schiffseigenen und sicherheitsrelevanten Dinge von Samuri ein. Alles andere ist für die beiden erfahrenen Segler ein Klacks. Ich freue mich schon auf meine Ferien als Capitana :-). Es ist für mich eine riesige Erleichterung, denn die lieben Männer stehen bei den beiden langen Schlägen, die es innerhalb der drei Wochen gibt, für uns Frauen morgens um vier Uhr auf und übernehmen die Wachestunden in der Frühe. 

Die Inselwelt von Tonga setzt sich aus vier Inselgruppen zusammen, aus Tongatapu, der Ha'apai-, der Vava'u- und der Niua-Gruppe. Dazwischen liegen immer knappe 70 Seemeilen. Alle ausser der letzten Inselgruppe werden wir besuchen. 

Im letzten Januar fegte über Ha'apai ein Zyklon mit Stärke 5. Die Hauptstadt Pangai wurde sehr hart getroffen. Als wir zum Ankerplatz kommen, bietet sich uns ein betrübliches Bild. Schon vom Wasser her sehen wir völlig zerstörte Häuser, Gebäude ohne Dächer oder uralte Banyan-Bäume, deren dickste Äste abgeknickt sind. Wir gehen an Land und schauen uns die Zerstörung an. Viele Häuser sind wie Kartenhäuser in sich zusammengebrochen. Andere hat es durch den heftigen Wind einfach um drei bis vier Meter verschoben. Die grossen Kirchendächer sind weggefegt. Das Wasser ist bis tief in das Dorf eingedrungen und hat die Böden zerstört. 
Wir sind glücklich zu sehen, dass die Menschen aus aller Welt Unterstützung erhalten haben. Alle haben ein Notzelt zum Wohnen bekommen, bis ihr altes Haus wieder aufgebaut oder ein neues aufgestellt ist. Essen haben alle genug. Und die Leute haben begonnen, eigene Gärten mit Gemüse anzulegen. Das üppige Klima lässt ja alles innert kurzer Zeit spriessen und gedeihen. Die Strassen sind schon recht geräumt und geputzt. 
Und trotzdem ist es für uns erdrückend, unter welch primitiven Umständen die Menschen leben. Doch alle begrüssen uns sehr freundlich und aus den dunkelsten und schmutzigsten Ruinen winken uns kleine Kinderhände zu.

Dieses Bild lässt uns aufhorchen. Schon seit Beginn unserer Reise sagen wir, Samuri sei zu schwer. Das ist die Gelegenheit. Mit einer grossen Ladung an Bettzeug, Bettwäsche, Frottierwäsche, Kleider, Seifen, Haargummi, Zahnbürsten usw. sprechen wir beim Pastor vor. Gerne nimmt er unsere Spende entgegen und dankt Gott für unseren Besuch. Ein Freund des Pastors bringt uns in die Primarschule, wo wir viele Schreibhefte und Stifte übergeben können. Die Kinder danken es uns mit einem prächtigen Thank you!
Vom Gewicht her erleichtert und vom Gefühl her beglückt kehren wir in den Wohlstand auf Samuri zurück. 

Die nächsten Tage geniessen wir die Inselwelt. Leider ist das Wetter eher kühl und auch die Wassertemperatur lädt nicht zum stundenlangen Bädele ein. Die Tonganer meinen, dass das kühle Wasser vom Tongagraben kommt, der sich östlich der Ha'apai-Gruppe befindet und bis zu 10'882 Meter tief ist. Susanne und Roland lassen sich davon nicht abhalten und ziehen ihre tägliche Wassergymnastik durch. 

Von den Tauch- und Schnorchelplätzen in Tonga sind wir etwas enttäuscht. Viele Riffe sind tot, viele Korallen sind abgestorben und dementsprechend ist die Fischvielfalt klein. Diese Umstände finden auch die Männer auf ihrem Tauchgang vor, den sie zusammen unternehmen. Während dessen sich die Männer mit den Farben der Unterwasserwelt beschäftigen, schwelgen wir Frauen in den schimmernden Farben meiner Glasperlen, die ich ans Tageslicht geholt habe. In ruhigen Ankerbuchten fröne ich immer wieder meinem Hobby und fertige damit Arm- und Halsketten an. 
Sofort stellt Susanne ihre Farbkombination zusammen. Von diesem Tag an ist für die Freizeitbeschäftigung der Frauen gesorgt. Susanne will ihr Erstlingswerk natürlich mit nach Hause nehmen. 

Elke und Werner sind ehemalige Segler, die sich nach 20 Segeljahren in Vava'u niedergelassen haben. Die beiden leiten den Trans-Ocean-Stützpunkt. Das heisst, sie sind  in Tonga die Ansprechpartner für uns Segler, sofern wir Mitglieder von diesem Verband sind. Christian hat das Ehepaar im letzten Winter in Neuseeland kennen gelernt, als die beiden von ihrem Europabesuch zurück kamen. 
Noch bevor wir Neuseeland verlassen haben, baten uns Elke und Werner, für sie einige Waren einzukaufen und diese mit nach Tonga zu führen. Mit dem Wissen, wie klein das Angebot auf den Inseln ist, haben wir das gerne gemacht. 
So dürfen wir uns an die persönliche Boje von Elke und Werner legen und wandern über den Hügel auf die andere Seite der Insel zu ihrem Haus. Wir werden mit offenen Armen empfangen und zu Kaffee mit Schwatz eingeladen. Anderntags kommen wir nochmals in den Genuss dieser herzlichen Gastfreundschaft. An einem grossen Tisch sitzen wir mit anderen Seglern zusammen und werden fein bekocht. Interessiert hören wir Elke und Werner zu, wie sie uns über die Lebensweise und Mentalität der Tonganer erzählen. Auch in diesem Land macht die Korruption keinen Halt.  

Tonga liegt östlich des 180. Längengrad, der zugleich die internationale Datumsgrenze bildet. Doch gerade eben an dieser Stelle wurde die Datumsgrenze nach Osten verschoben. Somit befindet sich Tonga unmittelbar westlich dieser gedachten Linie und begrüsst als erster Staat der Welt jeden neuen Tag. So verweisen die Tonganer gerne darauf, dass ihr Land genau da liegt, "wo die Zeit beginnt". 
Auf den Inseln aber scheint die Zeit noch gemächlicher dahin zu schleichen, als sonst wo im weiten Südpazifik. So werden auch wir einmal mehr zu einem Entschleunigungsprozess gezwungen. Das wäre ja gut und recht, aber nicht im Falle der Heimreise von Susanne und Roland. Diese wird nämlich zur reinsten Odysée.

Die sehr bereichernde und fröhliche Zeit mit unseren Freunden ist leider schon zu Ende. Es ist Samstagmorgen, Abschiedstag. Um Punkt 7 Uhr stehen wir am Dock bereit und warten auf das Taxi, das Susanne und Roland zum Flughafen bringen soll. Alles Weitere schildere ich euch in Kurzform: 
Der Taxichauffeur hat verschlafen, kommt aber trotzdem noch. Nach drei Stunden höre ich  unsere Freunde vom Ufer her rufen. Ihr Flug wurde gestrichen, der nächste geht am Nachmittag. Das Flugzeug am Nachmittag dreht um. Keine Landung wegen nasser Piste. Im Büro der Airline muss ich fast das Pult besteigen, um die Madame zu bewegen, mir die Telefonnummer der Air NewZealand zu geben, damit wir alle Flüge in die Schweiz umbuchen können. 
Der Samstag ist gelaufen. Der Sonntag ist den Tonganern heilig. Da geht gar nichts. 
Am Montagmorgen hat das Flugzeug technische Probleme. Mit Verspätung erreichen Susanne und Roland die Hauptinsel von Tonga. Sie sehen ihren Anschlussflug nach Auckland gerade starten. Erneute Umbuchung aller Flüge.
Mit je einem Tag Zwischenstopp in Tongatapu, in Auckland und in Hongkong erreichen die beiden Zürich erst am Freitagmorgen, anstelle des vergangenen Montagabends. 
Dieses Ferienerlebnis wird niemand von uns je vergessen und schon bald werden wir darüber schmunzeln. Tonga - Time...

Christian und ich segeln zurück zur wunderschönen und ruhig gelegenen Bucht bei der Insel Vaka'eitu. Wir kennen den Ankerplatz vom Besuch der letzten Tage mit unseren Freunden. Am Ufer wohnen Haike und Dave. Sie sind erst um die vierzig und haben gemeinsam 11 Kinder. Die jüngsten wohnen noch hier bei ihren Eltern, die älteren sind bereits auf anderen Inseln berufstätig. Die Familie lädt uns und die weiteren Segler, die in der Bucht liegen, am Sonntag zum Essen ein. 
Schon frühmorgens wird eingeheizt. Der Knabe muss oder darf für Stunden das erst drei Monate alte Ferkel drehen, das am Spiess über dem Feuer gebraten wird. Die Mädchen helfen beim Anrichten der anderen Speisen. Zuerst dürfen wir Gäste uns am Buffet bedienen, danach erst isst die Familie. Zu unserer Überraschung holt Dave seine Gitarre und die Familie singt für uns ein paar Lieder. Es ist wunderschön, welch hohen Stellenwert das Singen in ganz Polynesien hat, sei es in der Kirche, unter Freunden oder eben in der Familie. 

Es zieht uns wieder weiter. Das Wetter zeigt ein gutes Fenster, die richtige Zeit, die Dreitagesfahrt nach Fiji anzutreten. 

Adieu Tonga, vermutlich auf Nimmerwiedersehen...

 

 

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1 Kommentar(e):

  • Daniel
  • Sonntag, 3. August 2014
  • 14:04

Danke!

Hallo Zusammen Es ist immer wieder schön von euren wunderbaren Erlebnissen zu lesen. Danke, dass wir Lesenden auf diesem Weg daran teilhaben dürfen. Bis bald und auf Immerwiedersehen :-) Herzliche Grüsse Daniel

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