Törnberichte

Neuseeland II

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Teil II unserer Neuseelandreise 

Wir befinden uns im unteren Drittel der Südinsel, im grössten Nationalpark mit 12'500 km/2 Fläche. Wie keine andere Region Neuseelands umfasst der Südwesten des Landes eine geballte Konzentration an atemberaubenden Landschaften. Hier liegen zwei der tiefsten Seen und 15 enge Fjorde. Die vereinigten Nationen haben dieses ganze Gebiet zusammen mit dem Mount Aspiring National Park als Naturerbe der Menschheit zur "Te Wahipounamu World Heritage Area" erklärt. 
Ein charakteristisches und unvermeidbares Merkmal des Fjordlandes ist der Regen. Dies gilt insbesondere für den Milford Sound, der jährlich bis zu 7000mm davon abbekommt. Trotzdem sind diese Landschaften, die mit Schiff und Bus oder einem Rundflug von oben bestaunt werden können, das beliebteste Reiseziel der Touristen. 

Obwohl wir für unsere Reise acht Wochen eingeplant haben, reichen uns die Tage nicht aus, hier für längere Zeit zu bleiben, um ein paar Wandertage einzulegen. Es reizt uns auch nicht, eine Tagestour für 300 Dollar zu buchen, um einmal durch einen Fijord gefahren zu sein. Das ist uns schlichtweg zu teuer. Wir geniessen die pure Natur und die geniale Ruhe am See während einer ausgiebigen Mittagspause. Danach legen wir noch einige Kilometer in Richtung Norden zurück.  

Bis anhin sind wir wirklich gesegnet mit wunderbarem Wetter. Somit sind wir natürlich weniger angewiesen auf die Infrastruktur eines Campingplatzes. Wenn immer möglich, suchen wir uns zur Übernachtung ein idyllisches Plätzchen irgendwo im Grünen oder am See. Heute haben wir besonderes Glück, und so wärmt uns die Abendsonne nach dem erfrischenden Bad nochmals auf, bevor wir das Nachtessen geniessen und danach ins Bett kuscheln. 
Doch es kann ja nicht immer nur heiter Sonnenschein sein. Und so schüttet es an jenem Tag wie aus Kübeln, an welchem wir viel Weg vor uns haben. Wir wollen von Wanaka aus über den Haast Pass an die Westküste fahren. Abends um 18 Uhr werden wir kurz vor der Passhöhe von der Polizei angehalten. Wegen akuter Erdrutschgefahr, ausgelöst durch die starken Regenfälle, wird der Pass über Nacht gesperrt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Truckli auf dem Parkplatz beim Fantal Wasserfall zu parkieren und den nassen Abend bei tosendem Lärm im heimeligen Häuschen zu verbringen. 

Anderntags klärt es auf. Truckli schleppt sich die letzten paar hundert Meter bis zur Passhöhe hinauf. In rassigem Tempo geht es talwärts, am Fox Gletscher vorbei, entlang dem eisigen Gletscherfluss bis hinunter auf Meereshöhe. Zwischenstopp gibt es auf dem Weg bei einer Verkaufsbude, die Whitebaits anbietet. Das sind ganze, nur etwa 5 cm lange, fast durchsichtige Fischchen. Sie gelten auf der Südinsel Neuseelands als Spezialität. Zum Kochen werden sie vorher im zerschlagenen Ei gewendet, gewürzt und danach in der Bratpfanne als dünne Küchlein gebacken. Das Nachtessen ist gesichert.

Im Paparoa Nationalpark treffen wir auf die Pancake-Rocks. Das ist eine Karstlandschaft der besonderen Art. Verschiedenste Schichten Kalkstein sind derart verwittert, dass sie grossen Türmen aufeinander gestapelten Pfannkuchen ähneln. Die Ursache dafür, so lesen wir im Führer, war ein chemischer Prozess, bei dem durch den Druck von übereinander gelagerten Sedimenten abwechselnd feste und weichere Zwischenschichten entstanden. Spätere Bodenerhebungen und Verwitterung haben diesen Effekt noch verstärkt. Lasse diese fotogenen Formationen, von denen du ein paar Beispiele in unserer Bildergallerie findest, doch einfach auf dich einwirken. 
Was dabei auch noch faszinierend ist sind die Blowholes, die riesigen Meereshöhlen, die unter diesem Felsgebäude liegen. Bei Flut schiesst das Wasser durch diese grossen Löcher nach oben und produziert immense Fontänen. 

Schon wieder ist unser altes Mobil gefordert. Es geht über den Arthurs Pass von der Westküste an die Ostküste. Truckli hat in Christchurch einen Termin in der Garage, in der das Ersatzteil auswechselt wird, das vor drei Wochen bestellt werden musste. Danach wird Truckli den Stempel bekommen, der seine Fahrtüchtigkeit für die nächsten 6 Monate bestätigen wird. 
Die Wanderung auf ein Aussichtsplateau ist an diesem langen Fahrtag der nötige und willkommene Unterbruch, unsere steifen Beine zu lockern und Sauerstoff zu tanken. Auch unsere Sinne danken es uns. 

Volkmar, unser Freund aus Christchurch, holt uns in der Garage ab, in welcher das Auto repariert wird. Er verführt uns in der Copenhagen Bäckerei mit so richtig leckerem Gebäck. Hier decken wir uns für die nächsten Tage mit Sauerteigbrot und feinen Dörrfruchtküchlein ein. 
Ein unerfreulicher Bericht! Der Garagist meint, dass Truckli bei der nächsten Inspektion in 6 Monaten ganz bestimmt durchfallen wird. Oder aber wir wären bereit, etwa 2000 Dollar in die Hand zu nehmen und die gröbsten Rostfrasslöcher im Chassi flicken zu lassen. Das sind schlechte Aussichten für einen Wiederverkauf am Ende unserer Reise. Zudem wird dann die Reisesaison dem Ende zugehen, weil der Winter nahen wird. Wer will da noch einen rostigen Campervan kaufen.

Volkmar wittert eine sehr gute Chance, für das Auto schnell einen Käufer zu finden, wenn es ganz frisch nach der Motorfahrzeugkontrolle zum Verkauf ausgeschrieben wird. Und für die letzten drei Wochen unserer Reise könnten wir von ihm einen Sleepervan mieten. 
Gesagt - getan. Noch am selben Tag knipsen wir Truckli von allen Seiten, von innen und aussen ab, und die Verkaufsseite wird aufgeschaltet. 
Schon anderntags melden sich zwei Interessenten. Und ehe es uns lieb ist, packen wir unser Hab und Gut um. Truckli ist für gutes Geld verkauft. Danke, Volkmar! 

Mit bestem Schmaus aus dem Pizzaofen und in dessen heimeligen Wärme verbringen wir mit Volkmars Familie einen gelungenen Abend mit interessanten Gesprächen.

Wir verlassen Christchurch mit einem ganz neuen Fahrgefühl. Hundert Stundenkilometer Geschwindigkeit nehmen wir kaum wahr. Wir fühlen uns sicher auf der Strasse, unser Kopf ist mit einer Kopfstütze geschützt, unsere langen Beine können wir entspannt ausstrecken. Es geht schnell vorwärts. Und doch steigt ein bisschen Wehmut in uns hoch, wenn wir an unser Truckli zurück denken. Und wie werden wohl die kommenden Nächte sein? Ein Sleepervan ist nämlich viel weniger komfortabel als ein Wohnmobil. Wir können auf dem Bett kaum sitzen, wir haben kein verfügbares WC mehr dabei, und die Kochgelegenheit befindet sich hinten im Auto. Bei aufgeklapptem Kofferraumdeckel eröffnet sich eine ausziehbare Koch- und Rüstgelegenheit, eine kleine Tiefkühlbox und ein paar wenige Schubladen für die wichtigsten Kochutensilien. Von jetzt an heisst es Essen im Freien oder  in der Gemeinschaftsküche des Campingplatzes. 
Mit der Zeit stellt sich heraus, dass diese Art des Campens für uns eine gute Übergangslösung ist, die Reise zu vollenden. Doch wir schätzen alleweil ein bisschen mehr Komfort. So mieten wir ab und zu mal ein Zimmer in einem Motel mit Bad und eigener Küche.

Christian ist frisch verliebt. Nein - zum Glück nicht in eine andere Frau. Es ist eine Lavendelfarm in Kaikura, deren Fotos er in einer Immobilienzeitschrift gesehen hat. So darfst du dreimal raten, was unser Tagesziel ist...
Durch ein grosses Eingangstor fahren wir in das zu verkaufende Grundstück und parken. Wir bestaunen den wunderschön angelegten Garten. Leider sind die Lavendelblüten schon geschnitten. Doch unsere gute Vorstellungskraft bringt uns die lila blühenden Felder  vor unser inneres Auge, und wir riechen buchstäblich den intensiven Lavendelduft der Millionen von blühenden Blüten. 
Wir stöbern durch den Laden, in welchem diverse Körperprodukte mit Lavendelöl aus eigener Herstellung und viele zum Thema passende Boutiqueprodukte angeboten werden. Unter dem Sonnenschirm im Garten trinken wir Kaffee, Christian schleckt Lavendeleis. Dabei lassen wir die ersten Eindrücke auf uns wirken. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt und versucht, sich vorzustellen, wie oder mit welcher Aufgabe er sich auf diesem Gut einbringen könnte. Christian sieht sich schon als Düftler hinter der selbstgebastelten Ölpresse oder im Garten, beschäftigt mit der Pflege der Lavendelstöcke. Er versucht, mir den Laden schmackhaft zu machen, denn das wäre nicht sein Ding.

Wir gehen einen Schritt weiter und sprechen vorerst mit der Besitzerin, anschliessend mit dem Makler. Anderntags dürfen wir hinter die Kulissen des Verkaufsobjektes schauen und bekommen sogar Einblick in die Umsatzzahlen. 
Es gibt Krisensitzung: Wollen wir hier bleiben und noch mehr Abklärungen vornehmen? Wollen wir unsere geplante Reise weiterführen? Können wir uns ein Leben auf der Südinsel in Neuseeland vorstellen? Wollen wir acht Monate im Jahr einen Betrieb mit Bed und Breakfast führen, Lavendel pflanzen, verarbeiten und daraus Produkte herstellen und diese vermarkten? 
Mir wird es eng im Herzen und ich muss kapitulieren. Neuseeland ist am anderen Ende der Welt. Es ist für mich unvorstellbar, soweit weg von der Heimat zu sein. Und zu meinem Glück, bei Christian ist der hundertprozentige Wow-Effekt auch ausgeblieben!

Im Gebiet von Malborough besuchen wir einige Weingüter. Hier liegen die meisten Rebberge von Neuseeland, weil hier die besten klimatischen Bedingungen herrschen. Im Schutz der Berge erhalten die fruchtbaren Ebenen am Wairau Fluss in der Umgebung von Blennheim und Rennwick um die 2400 Stunden Sonnenschein pro Jahr, unter dem die Trauben heranreifen. Die Winzer schätzen das Anbaugebiet besonders für den Sauvignon Blanc, doch es werden auch leckerer Chardonnay, Pinot noir und Gewürztraminer produziert. 
In den Weinkellereien werden Weinproben angeboten, manchmal kostenlos oder meistens mit einem kleinen Unkostenbeitrag, der bei Kauf von Wein angerechnet wird. So haben wir dieses oder jenes Angebot gerne genutzt und uns auch mit ein paar guten Flaschen eingedeckt. 

In der Herzog-Winery lernen wir den Schweizer Hans Herzog kennen. Er erzählt uns in wenigen Worten seine Geschichte, wie es ihm früher in der Schweiz als Restaurantbesitzer und Weinanbauer zu eng wurde, wie er sich damals vor ca. 20 Jahren in Neuseeland umschaute und dann hier in Blenheim das passende Gebiet fand, seine Träume als Winzer verwirklichen zu können. 
Sein kleines Reich, das er sich hier aufgebaut hat, zeugt von wahrem Können. Auf den wenigen Hektaren Land baut der Mann mit den erdigen Händen und dem urchig glücklichen Gesicht eine Vielfalt von Trauben an, mit welchen er auserlesene Weine produziert. Als grosse Ausnahme im Gebiet von Marlborough pflückt er mit seiner Belegschaft die Trauben noch von Hand, bevor sie in die Weiterverarbeitung gehen. 
Mit Stolz zeigt uns Herr Herzog seinen Weinkeller, um so lieber natürlich, nachdem er gehört hat, dass wir kurz zuvor an der Weintheke den "Grundstein" für unseren zukünftigen Weinkeller eingekauft haben. 
Den Besuch dieser Winery runden wir ab mit einem feinen Mittagessen im sonnigen Garten zwischen Wasserspielen und Weinreben.

Es ist Zeit, die Fähre zur Nordinsel zu besteigen. Wieder begleiten uns auf kurzer Strecke springende Delfine, die in uns Menschen einfach Glücksgefühle erwecken. 

Der grösste Teil der Region Wairarapa im südlichen Teil der Nordinsel ist urtümliches neuseeländisches Schafzuchtgebiet. Im Hauptort Masterton findet noch heute jährlich ein Schafschurwettbewerb statt, praktisch die olympischen Spiele der Wollbranche. Dafür strömen aus der ganzen Welt Wettkämpfer herbei um ihre Geschicklichkeit mit dem Handapparat zu demonstrieren. Ein erstklassiger Schafscherer kann ein Schaffell in weniger als einer Minute entfernen. Sieger kann er jedoch nur werden, wenn er ein glattes und unverletztes Tier aus der Prozedur entlassen kann. Immerhin können wir dieses Schauspiel auf nostalgischem und neuzeitlichem Filmmaterial im Shear Discovery anschauen. Dieses ausgezeichnete, kleine Museum ist in zwei 100 Jahre alten Schurschuppen untergebracht und ist ganz der Wolle gewidmet. 

Ganz in der Nähe, in Carterton, besichtigen wir eine Fabrik, die aus der Paua-Muschel allerlei Schmuck und jeglichen sonstigen Schnickschnack herstellt. Was uns mehr beeindruckt sind die Umstände, wie diese wunderschöne Muschel geerntet wird. Sie wächst erst ab 12 Metern Wassertiefe und darf nur von Apnoe-Tauchern heraufgeholt werden. Dazu muss sie mindestens eine Grösse von 12 cm Länge aufweisen. 

Auch die weiteren Tage der Reise dienen unserer Weiterbildung. Wir kommen durch fruchtbare Gebiete und sehen zum ersten Mal riesige Kiwi-Kulturen. Wir lassen uns auf einer Farm die Oliven-Ölherstellung zeigen und lernen in einem Honighaus viel Interessantes über die Bienen, deren Leben und über die Herstellung von Honig. Natürlich schlecken wir gerne aus den verschiedenen Degustationstöpfen. 
Im städtischen Informationscenter von Waihi erfahren wir die Geschichte der Goldgräberei und schauen uns die interaktive Ausstellung zu den heutigen Arbeitsmethoden in einer Goldmine an. Hast du gewusst, dass aus 1000kg Gestein 11g Gold geschöpft werden?

So, es ist Zeit für die Grossstadt Auckland, die City of Sails. Die Stadt trägt diesen Beinamen, weil man anscheinend beim Landeanflug über den mit Inseln übersäten Hauraki Golf Jachten auf dem glitzernden Wasser kreuzen sieht. 
Rund um diesen Hafen und die wenigen Wolkenkratzer der Innenstadt erheben sich die grasbewachsenen Hügel von etwa 50 erloschenen Vulkanen aus dem Meer, die Vororte der Stadt.  
Auckland ist eine der am dünnsten besiedelten Grossstädte der Welt. Eine knappe Million Menschen wohnt auf der doppelten Fläche von London, das mehr als sieben Mal so viele Einwohner zählt. Etwa 11% der Einwohner dieser weltgrössten polynesischen Stadt zählen sich zu den Nachkommen der Maori, 14 % stammen von Familien aus Tonga, Samoa, den Cook-Inseln, Niue und anderen Inseln des Südpazifik ab.

Ich schlendere gemütlich durch die Strassen und beschäftige mich mit der neuseeländischen Mode. Ich finde sie schrecklich, zum Vorteil der Geldbörse. Christian tummelt sich währenddessen im Maritime Museum. Am Abend wagen wir uns auf das höchste Bauwerk Neuseelands, den 328m hohen Skytower. Während des delikaten Nachtessens im Drehrestaurant auf 220m Höhe bietet sich uns ein überwältigender Blick bis weit hinaus ins Meer oder ins Landesinnere.  

In Waitangi tauchen wir noch einmal in die Geschichte ein. 1840 wurde hier von zwei vorgeblich souveränen Staaten, dem vereinigten Königreich einerseits und den United Tribes of New Zealand andererseits, ein Vertrag unterzeichnet. Er sollte die französische Expansion im Pazifik stoppen und die Maori, die Ureinwohner, vor betrügerischen Landaneignungen seitens der Siedler schützen. Bis heute stellt diese Vereinbarung ein Schlüsselelement der Beziehung zwischen den Ureinwohnern und den europäischen Einwanderern dar. Die darin garantierten Rechte der Maori wurden jedoch nur selten gewahrt, und der Kampf um Anerkennung geht weiter. 
Wir schauen uns in einem traditionellen Versammlungshaus die Show einer mitreissenden Mischung aus Drama, Gesang und Tanz an. Endlich kommen wir in den Genuss eines echten und furchterregenden Haka-Tanzes. Dabei schlagen sich die Männer auf die Schenkel , sperren bedenklich die Augen auf und strecken die Zunge heraus, begleitet natürlich von wütenden Schreien. Durch diese Zurschaustellung körperlicher Kraft und Entschlossenheit wollen sie den Gegner einschüchtern. 

Das Kauri-Museum in Matakohe ist eines der besten Museen des Landes. Es zeigt alles Wissenswerte über das Holz bis zum Harz über den mächtigen Kauribaum. Er ist der grösste und berühmteste der in Neuseeland beheimateten Bäume. Er gehört zu den Koniferen und wächst im subtropischen nördlichen Teil der Nordinsel. Die ersten Vorfahren des Kauri tauchten in der Jurazeit vor 135 bis 190 Mio. Jahren auf. Die Kauriwälder gehören somit zu den ältesten der Welt. 

Wir wollen es uns nicht entgehen lassen und wandern zum grössten, existierenden Kauri, zum "Tane Mahuta", Gott des Waldes. Der Pfad führt uns durch den feuchten Wald. Es riecht nach Moos. Und dann stehen wir vor dem unglaublich mächtigen Riesen. Ich bekomme Gänsehaut. Ein Maori spricht ein Gebet, eine Frau singt ein Lied, mit Gitarre begleitet. Es klingt in uns nach, es ist ganz still. Wir müssen einfach nur Staunen. 
In einem benachbarten Wald steht der älteste Kauri. Er heisst "Te Matua Ngahere", Vater des Waldes und ist schätzungsweise 2000 Jahre alt. Auch bei seinem Anblick erstarren wir vor Ehrfurcht. 

Und nun komme ich zu unserem letzten Highlight unserer Reise. Für einmal lassen wir uns chauffieren. Wir buchen eine Tagestour. Pünktlich um 9 Uhr steht der Bus bereit. Wir müssen noch auf einen Chinesen warten, der im benachbarten McDonald's das Frühstück für seine Familie einkaufen gegangen ist. Der Chauffeur wird langsam nervös. Wir sollten los, denn die Flut wartet nicht. Geplant ist nämlich die Fahrt auf dem "Ninety Mile Beach" entlang dem Meer. Wir wollen zum nördlichsten "Must" von Neuseeland, zum Cape Reinga. Und wer da nicht pünktlich losfährt, geht das Risiko ein, im Sand stecken zu bleiben. Jedes Jahr werden ein paar Privatautos und sogar Touristenbusse begraben. Doch keine Angst, die Menschen können sich immer aufs Land retten. Doch wenn in befristeter Zeit für den Bus keine Abschlepphilfe kommt, wird er von der unaufhaltbaren Flut überspült. 
Endlich geht die Spritztour los. Mit 100 km/h und grösstem Vergnügen rast der Vollblut-Busfahrer über den leeren Strand, lenkt sein Gefährt sicher über kleine Wasserläufe und bringt uns nach gut zwei Stunden schlussendlich wieder auf die normale Landstrasse. Die lange Mittagspause am Cape gibt uns genügend Zeit, die Wellen zu studieren. Hier trifft sich nämlich Ost und West, der Pazifik und die tasmanische See. Das Aufeinandertreffen des Wassers formt dabei mit den Schaumwellen ein Quadrat, sehr speziell.  
Ein kleiner Rast in einer ruhigen Bucht und ein Glacé Stopp verkürzen die lange Rückreise.

Ein erlebnisreicher Tag geht zu Ende und somit auch unsere unvergessliche Reise durch ein Land voller Gegensätze. 7'673 km haben wir unfallfrei zurückgelegt. Wir sind sehr glücklich und dankbar.

Zurück in der Norsand Boatyard in Whangrei finden wir unsere Samuri in bestem Zustand vor. Geplant ist, noch ein paar letzte Arbeiten innert Wochenfrist zu erledigen, dann Samuri zu wassern und mit dem nächsten Wetterfenster den Weg nach Tonga unter die Segel zu nehmen.
Doch es kommt anders. Der Segelmacher, dem Christian einen grossen Auftrag übergeben und viel Vertrauen geschenkt hat, stellt sich als äusserst schwierige Person heraus. Es endet in einem Eklat zwischen den beiden. Nur dank der Hilfe unseres Freundes Volkmar, der extra aus Christchurch einfliegt und geschickt als Mediator, respektive Christian's Vertreter auftritt, kann der Segelmacher bewogen werden, einen Teil des Auftrages mit 3-wöchiger Lieferverzögerung zu übergeben.

Wer die genauen Fakten über den Verlauf dieses Geschäftes mit Charles Viviani nachlesen möchte, findet hier den Link.

Are you intrested in reading the experience we made doing business with the sailmaker Charles Viviani from Opua, here's the link.

Während dieser nervenaufreibenden Zeit harren wir im Town Basin in Whangarei aus und versuchen das beste aus der Zeit zu machen. Unsere Crew, Ingrid & Greg aus Nelson, sind schon mit an Bord. Zum Glück wird es ihnen während der unfreiwilligen Wartezeit nicht langweilig. Sie gehen oft fischen und finden bei einem lokalen Händler sogar ihren Traum-Wohnbus, mit dem sie in nächster Zeit Neuseeland bereisen wollen. 

Die Segel sind endlich montiert, Volkmar springt als viertes Crewmitglied an Bord und ich löse den mutigen Seglern die Leinen, verbunden mit gesegneten Wünschen für eine sichere Überfahrt nach Tonga.
Mit klopfendem Herzen verfolge ich auf den Tagesberichten die strenge Zeit der Mannschaft. Ich selber plane für mich die nächsten 10 Tage, bevor ich das Flugzeug nach Tonga besteige. Die erste Zeit geniesse ich un der Gegend um Whangarei mit Freunden. Dann fahre ich nach Auckland. Das lauschige Stadtgebiet Parnell ist eine Entdeckung wert. Ich bin glücklich über die gute Zeit mit mir und freue mich nun auf das nächste Abenteuer - die Inselwelt von Tonga. 

Seid alle herzlichst gegrüsst
Evelyne und Christian 

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    Neuseeland I

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    Endlich schicken wir ein Lebenszeichen von uns - vom anderen Ende der Welt - aus Neuseeland. Es geht uns wunderbar. Wir haben eine zweimonatige Landreise hinter uns, die wir dir in zwei Teilen berichten werden.

    Folgenden Abschnitt zitiere ich aus unserem Reiseführer:
    "Neuseeland, ein Land mit zwei Inseln, voller zerklüfteter Küsten, urzeitlicher Wälder, schneebedeckter Hochgebirge, gletschergespeister Seen, Geysire und Vulkane. Inmitten dieser atemberaubenden Landschaften existiert eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt, die sich einer für lange Zeit ungestörten Entwicklung verdankt.
    Von diesem Hintergrund ist die schier grenzenlose Vielfalt an Aktivitäten wenig überraschend: vom stimmungsvollen Bummel am windgepeitschten Strand über mehrtägige Wanderungen bis zu Adrenalin fördernden Unternehmungen wie Bungy-Jumping, Skifahren und Seekajak- oder Wildwasserfahrten.
    Die verschiedenen Reiseziele sind relativ leicht erreichbar, da die gesamte Landmasse nur geringfügig grösser ist als Grossbritannien. Das Land hat lediglich 4,3 Mio. Einwohner, von denen mehr als die Hälfte in den drei grossen Städten Auckland, Wellington und Christchurch lebt."
    Das tönt doch viel versprechend, nicht? Also los!

    Unser "Truckli", ein 28-jähriger Toyota Hiace, irgendwann von irgendjemandem liebevoll zum Campervan umgebaut, ist gepackt. Wir können damit (hoffentlich pannenlos) fahren, darin wohnen, kochen, abwaschen, schlafen und Toilette machen. Wir sind somit self-contained, was heisst, dass wir unser Abwasser in einem Tank auffangen und für die Umwelt keine Belastung sind. Wir müssen also nicht jede Nacht einen Campingplatz aufsuchen. Wir dürfen irgendwo frei in der Natur übernachten, wenn nicht ein Schild "Camping verboten" angebracht ist.
    Wir starten den Motor am 13. Februar. Christian ist der Chauffeur und fährt unser vollbeladenes Truckli mit Steuerradschaltung ohne Servolenkung souverän. Neuseeland ist ein Land für Camper. Das Strassennetz ist sehr gut ausgebaut, die Strassen sind breit und bei Passstrassen gibt es alle paar Kilometer eine Überholspur. Das beruhigt uns sehr, denn Truckli schleppt sich nur ganz mühsam Steigungen hoch, während Talfahrten ganz rassig scheppern.
    Whangarei, unser Startort, liegt an der Ostküste der Nordinsel. Unterwegs Richtung Süden passieren wir Auckland, dessen Besichtigung wir uns aber gegen Abschluss der Reise aufsparen. Schon bald durchfahren wir Naturland, Wiesen, Felder und Wälder, die uns an die Schweiz erinnern. Gegen Abend suchen wir einen Übernachtungsplatz auf und machen die ersten Erfahrungen mit dem Campingleben.

    Es schläft sich ganz gut in unserem Häuschen und die Nacht war von der Temperatur her angenehm. Also packen wir nach einem kräftigen Frühstück unsere sieben Sachen zusammen und weiter geht es. So gestalten sich die Tage der nächsten Wochen etwa in folgendem Rhythmus: aufstehen, frühstücken, Weiterfahrt bis zu einer Sehenswürdigkeit oder einem Wandergebiet und dazwischen natürlich öfters mal eine Pause für Blasenentleerung oder Kaffeetrinken.
    Die Kaffeekultur Neuseelands entspricht übrigens ganz unserem Gusto. Es gibt viele einladende Cafés, die vom Espresso über den "flachen Weissen" bis zum Latte Macchiato mit Soyamilch servieren. 
    Und gegen Abend quartieren wir uns in der neuen Übernachtungsstelle ein. Im weiteren Text versuche ich nun, die Höhepunkte unserer Reise heraus zu picken und dabei ein paar Informationen über Neuseeland einzuflechten.

    Wir wollen auf der Nordinsel der Westküste entlang nach Süden reisen.
    In Otorohanga besuchen wir einen Vogelpark. Neben einem grossen Aussengehege, das fast alle in Neuseeland heimischen Vogelarten beherbergt, bestaunen wir in einem Kiwi-Nachthaus den menschenscheuen Laufvogel. Dieser braune, flugunfähige, aber muskulöse Kiwi ist das Nationalsymbol Neuseelands. Es gibt nur noch knapp 70'000 Exemplare dieses Vogels und die Zahl der wild lebenden Tiere sinkt weiter. Hunde, Possums, Ratten und Wiesel sind ihre grössten Feinde. Sie fressen auch die Eier der Kiwis.
    Es ist fast unmöglich, einen Kiwi in der freien Natur anzutreffen, da diese Vögel nachtaktiv sind und ungefähr 20 Stunden pro Tag schlafen, wodurch sich die durchschnittliche Lebenserwartung von 20 bis 25 Jahren erklärt.
    Im Naturparadies rund um den Rotokare Lake haben vor Jahren freiwillige Helfer einen 8km langen Zaun angelegt, der einen guten Meter tief in den Boden reicht und etwa 4m hoch ist. Sie wollten damit ein Schutzgebiet für die Kiwis schaffen. Der Spaziergang rund um den See ist sehr idyllisch, das Vogelgezwitscher so fröhlich und die frische Luft durch Feld und Wald tankt Brust und Herz mit neuer Energie voll.

    Unvergesslich bleiben uns die Waitomo Caves. Waitomo heisst "Schacht, durch den Wasser eintritt". Es sind Höhlen mit grandiosen Karstformationen. Der bis heute noch andauernde Prozess der Höhlenbildung geht auf das Zusammenspiel von Regenwasser und Kohlendioxyd aus der Luft zurück, die zusammen eine schwache Säure bilden. Je mehr Kohlendioxyd vom Boden absorbiert wird, desto konzentrierter wird die Säure, die den Kalkstein schliesslich zerfrisst und damit Risse und Fugen vergrössert. Im weiteren Verlauf dieses Prozesses bilden sich ganze Höhlen heraus, wie sie heute zu sehen sind. Ein Führer begleitet uns mit seiner begeisternden Art auf befestigten Wegen durch eine dieser Höhlen. Wir bestaunen die interessantesten Formationen von Stalaktiten und Stalagmiten. Dann steigen wir in der Dunkelheit in ein Holzboot. An Drähten, die quer durch die Höhle von Wand zu Wand gespannt sind, lenkt der Führer das Boot mit seinen Händen geschickt durch die letzte grosse Höhle. In absoluter Stille gleiten wir auf dem Fluss. Die Decke ist erleuchtet von abertausenden von Glühwürmchen. Es ist ein märchenhaftes Bild, das wir staunend als kleines Naturwunder auf uns wirken lassen. Das Tageslicht am Höhlentor zerstört den kurzen Traum.

    Ein neuer Tag, ein neues Erlebnis. In der Nähe von Turangi besuchen wir die Tokaanu Thermal Pools. Da gibt es ein öffentliches Thermalbad und ein paar kleine Privatbecken. Wir gönnen uns eine wohltuende Entspannung und schmachten für 20 Minuten in 42 bis 45 Grad. Das Wasser stinkt sehr nach Schwefel und weist eine etwas gewöhnungsbedürftige undurchsichtig grünbraune Farbe auf. Darin schweben schwarze Fäden, die wie Asche aussehen und auf der Haut kleben bleiben. 
    Danach schreiten wir den Pfad ab, der im Gebiet hinter der Badeanlage angelegt ist. Aus kleinen und grösseren Erdlöchern dampft es, an anderen Stellen blubbert eine graue Schlammmasse. Kleine Flüsschen schlängeln sich dem Weg entlang. Eine Probe mit dem Zeigefinger lässt uns erahnen, wie heiss es in den Wasserlöchern sein muss, in denen das Wasser so glasklar ist, dass wir bis ein paar Meter tief alles genau erkennen können. Diese heissen Quellen sind für uns ein weiteres Naturphänomen, dem wir beide zum ersten Mal begegnet sind.
    Rund um Whakapapa, im südlicheren Teil der Nordinsel, eröffnet sich uns eine neue Landschaft. Wir befahren weite mit Gras bewachsende Ebenen, im Hintergrund sehen wir die noch mit kleinen Schneeflecken bedeckten Hänge des Vulkans Ruapehu, die im Winter das Skigebiet bilden. Im Sommer wird dieses Gebiet mit grosser Beliebtheit für Wanderungen genutzt.
    Wir haben grosse Lust auf Bewegung. Innerhalb von 6 Stunden wandern wir zum unteren und oberen Tamasee, zwei Vulkanseen. Die Landschaft ist karg, es wachsen nur Grasbüschel, die Sonne brennt vom Himmel und wir bemerken, dass unsere Beine immer schwerer werden. Uns fehlt unbestritten das Training. Nicht nur unsere Füsse, auch Christians Wanderschuhe sind nicht mehr die jüngsten. Die Sohlen lösen sich mehr und mehr vom Schuh und fallen ein paar hundert Meter vor der Rückkehr zum Truckli definitiv ab. Zu unserem Erstaunen liegt auf dem Parkplatz ein Paar Wanderschuhe. Jemand muss es nach der Wanderung vergessen haben. Nur leider stimmt die Grösse nicht ...

    Wir sind sehr überrascht, wie gut ausgebaut und gepflegt alle Wanderwege in ganz Neuseeland sind. Da gibt es Holztreppen, um Höhenunterschiede zu überwinden. Falls das Gebiet etwas sumpfig sein könnte, sind Holzstege angelegt. Die Pfade sind oft so breit, dass wir nebeneinander gehen können. Bei Ausgangspunkten oder Sehenswürdigkeiten gibt es auch immer Toiletten, die meistens sauber und mit fliessend Wasser und Seife ausgestattet sind. Neuseeland ist in dieser Beziehung ein wirklich touristenfreundliches Land.
    Was die Preise für Aktivitäten, Touren oder Besichtigungen anbelangt, treffen wir auf das pure Gegenteil. Da hätten wir doch für manchen Tag schnell mal gute Fr. 500.- ausgeben können. Oft haben wir uns gefragt, wie das eine Familie macht, die mit ihren zwei oder drei Kindern auf Urlaub ist.
    Mit etwas Zeit und Geduld, sich in den Führer einzulesen, haben wir dann festgestellt, dass wir Seelöwen, Pinguine oder besondere Vogelarten an diversen Orten in freier Natur beobachten können, ohne dafür "Eintritt" zu bezahlen, was wir dann auch getan haben.

    Wir kommen gut voran, immer weiter Richtung Süden. In Stratford besuchen wir Audrey, die Schwester einer neuseeländischen Segelfreundin mit Schweizer Partner. Die offene Gastfreundschaft bringt uns recht ins Staunen. Als wir uns telefonisch anmelden, meint Audrey, dass sie leider weggehen müsse, doch sie lasse das Haus einfach offen stehen. Wir sollen durch den Garten reinkommen und Bad, Küche oder Waschmaschine benutzen. Wir würden uns spätestens am nächsten Morgen sehen. Und wohlverstanden, wir haben einander noch nie gesehen!
    So parken wir Truckli auf dem Vorplatz des Hauses und machen es uns bequem. Vom Angebot der Waschmaschine machen wir gerne Gebrauch, doch Nachtessen kochen wir im Auto. Am folgenden Morgen erst lernen wir Audrey kennen. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann und ein paar Angestellten eine Milchfarm mit über 1000 Kühen. Einmal wollen wir beim Melken dabei sein. Das ist nämlich ein interessantes Prozedere. Als hätten die Kühe eine innere Uhr, pilgern sie zweimal täglich von der Weide zur Farm, wo sie gemolken werden. Man stelle sich eine Art Karussell vor. Eine Kuh nach der anderen zwängt sich in ein enges Gatter auf einer runden Bühne, die sich ganz langsam um die eigene Achse dreht. Von hinten wird den Kühen die Melkmaschine angesetzt. Und während sich das Rondell einmal dreht, wird die Kuh gemolken. Danach geht sie rückwärts von der Plattform runter und wandert zurück auf die Wiese.
    Während wir diesem Ablauf mit fragenden Augen zuschauen, wird mir doch mir nichts dir nichts eine bodenlange Plastikschürze umgebunden und ich werde zur rechten Hand des Obermelkers erkoren. Uff! Ich hätte glatt anheuern können.
    Es stimmt uns nachdenklich, wenn wir sehen, wie die Kühe zu richtigen Produktionsmaschinen herangezogen werden. Die Tiere leben wohl den ganzen Tag frei auf der Weide. Manchmal sind diese satt grün, manchmal eher karg und trocken. Doch die Wiesen sind überdüngt und die enormen Mengen Kuhmist verseuchen die Seen und Flüsse, zunehmend auch das Grundwasser. Auch die Luftverschmutzung der Kühe durch den Methanausstoss der Atmung und das Wiederkäuen ist nicht aufzuhalten.
    Der Markt mit Pulvermilch nach China boomt. Der Einheimische riecht das Geld. Es werden immer mehr Wälder abgeholzt und zu Weideland gemacht. Da nützt Schönreden nichts mehr. Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten wird Neuseeland mit einem riesigen Umweltproblem konfrontiert sein.

    Die pulsierende, kosmopolitische Hauptstadt Neuseelands, Wellington, liegt im Süden der Nordinsel und beherbergt rund 450'000 Einwohner. Rund um den Hafen gibt es eine lebendige Uferzone mit Cafés, Brauereien oder restaurierten Lagerhäusern, aus denen Restaurants geworden sind. Gewöhnliche Container sind zu kleinen Läden umgebaut. Es ist Samstag, Markttag. Die Einheimischen bieten ihre selbst gebackenen Kuchen, Brote und Konfitüren oder ihre Früchte und Gemüse aus dem eigenen Garten an. Daneben gibt es Stände mit Käse oder frisch gepressten Säften. Im umgebauten Kastenwagen holen wir uns einen feinen Kaffee, setzen uns vor einem Strassenmusiker auf die Bank und amüsieren uns köstlich über seine gebastelten Instrumente, mit welchen er einen mitreissenden Sound über den Markt verbreitet. Mit der warmen Sonne im Gesicht geniessen wir das bunte Treiben. Es ist eine herrliche, energiegeladene Stimmung. Die Menschen sind fröhlich und kommunizieren angeregt miteinander. 
    Die Innenstadt ist durchmischt mit historischen und modernen Bauten. Wohnhäuser oder viktorianische Schindelvillen ziehen sich die steilen Hänge bis zum umliegenden Waldgürtel hoch. Dieser bildet die natürliche Barriere gegen eine weitere Bebauung. Viele Häuser sind nur durch steile Treppen erreichbar. In der uralten Standseilbahn lassen wir uns den Berg hoch rattern und schlängeln uns zu Fuss durch den botanischen Garten zurück in die Stadt.
    Für das hochinteressante Nationalmuseum Te Papa reservieren wir uns einen ganzen Tag. Die Hauptausstellung ist die hervorragende Maori-Abteilung. Sie zeigt ureigenste Kunst und Themen zu Land, Leute, Geschichte, Handel und Kultur. Der eine Stock des Museums ist der nationalen Kunstsammlung vorenthalten. Da gibt es wechselnde Ausstellungen von Gemälden und Skulpturen von neuseeländischen Künstlern aus Vergangenheit und Gegenwart. Wir haben unverhofft das Vergnügen, einem kleinen Konzert mit angehenden Musikern des Konservatoriums von Wellington beizuwohnen.
    Auf einer anderen Gebäudeebene erfahren wir, wie die Ureinwohner die Naturgewalten erklären und erleben ein täuschend echtes Erdbeben in einem Haus. Leider sind viele andere interaktive Ausstellungen gerade in Revision. Doch es gibt in den "Discovery-Zonen" noch genügend Stoff zum Anschauen. 

    Mit der Autofähre lassen wir uns auf die Südinsel übersetzen. Kurz nach dem Ablegen begegnen wir einer riesigen Schule wild springender Delphine. Nach angenehmen drei Stunden auf dem Wasser geht unsere Reise Richtung Nelson weiter. Wir sind froh, kurz vor einer Stadt zu sein, denn die Schaltung von unserem Truckli beginnt zu klemmen. Wir brauchen dringend eine Werkstatt. Was zuerst dramatisch aussah, entpuppt sich zu einem kleinen Problem. Der Mechaniker kann einen neuen Kupplungshydraulikzylinder einsetzen und unser inzwischen lieb gewonnenes Auto ist wieder fahrtüchtig. 

    In Nelsen besuchen wir unsere Freunde Ingrid und Greg, die wir letztes Jahr in Aitutaki kennen gelernt haben und eine herzliche Freundschaft haben aufbauen können. Den einen Tag sind wir gemeinsam unterwegs, schauen herzige Hafenstädtchen an und degustieren neuseeländischen Wein auf drei verschiedenen Weingütern. Anderntags führt uns Greg in sein Hobby ein, Forellenfischen im Fluss. Greg und Ingrid heuern bei Christian an, mit ihm von Neuseeland nach Tonga zu segeln. Wunderbar! Ohne gross suchen zu müssen, die Crew steht. 

    Im Norden von Nelson liegt der wunderschöne Nationalpark von Abel Tasman mit idyllisch goldenen Sandstränden, mit kristallklarem Wasser und üppig grünem und dichtem Buschland. Wir stehen bei strahlendem Sonnenschein morgens früh am Strand bereit, werden von einer Fähre aufgeladen und an den Ausgangsort unserer Wanderung gebracht. Gute drei Stunden dauert unser Streifzug durch die abwechslungsreiche Küstenlandschaft, bis wir die kleine Lodge am obersten Ende des Parks erreichen. Ein feines Mittagessen und das Nickerchen auf der Bank stärken uns. Die Zeit verstreicht schnell, schauen wir, dass wir die letzte Fähre erreichen, die uns zurück nach Kaiteriteri bringt.

    Gierig nach Gold machen wir uns auf zum Abenteuer- und Geschichtspark am Bullers River. Mit Instruktionen im Kopf und der speziellen Pfanne in der Hand überqueren wir in luftiger Höhe die 110m lange und zugleich längste Hängebrücke Neuseelands, steigen zum Fluss hinunter und versuchen unser Glück. Doch der Traum wird zum Alptraum. Tausende von kleinen Sandfliegen rasen nicht nur um uns herum, sondern sie setzen sich überall auf unserem Körper fest, stechen uns oder fressen sogar ein kleines Stückchen Fleisch weg. Überall juckt es. Während ich mit meinem Schal heftig wedle, versucht Christian das Wasser zu sieben. Doch es ist rein unmöglich, sich diese Viecher vom Leib zu halten und so ist dieses Schauspiel ziemlich schnell wieder beendet. 

    Die Wetterprognose für den nächsten Tag ist schlecht. Wir beschliessen, in Maruia Springs, einem friedlichen Kurort, ein Zimmer zu buchen. Da gibt es einen Bäderkomplex mit separaten Männer- oder Frauenbadehäusern im japanischen Stil, Einzelbadehäuser und Pools unter freiem Himmel. Je nach Mineralgehalt ist das Wasser schwarz bis milchig weiss. Und wir lassen es uns gut gehen. Am nächsten Tag lacht schon wieder die Sonne, doch es ist kühl.

    Christchurch, die grösste Stadt der Südinsel und Hauptstadt der Region Canterbury, ist nicht mehr das, was sie mal war. Das Erdbeben vom 22. Februar 2011 hat die ehemals vornehme Atmosphäre der Stadt mit ihren 350'000 Einwohnern zu einer Geisterstadt gemacht. Über 10'000 Gebäude wurden dabei so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten, darunter mehrere hundert im Stadtzentrum. Noch immer sind die Menschen mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Manche Gegenden der Stadt können wegen Bodenabsenkungen nie mehr aufgebaut werden, denn bei dem Erdbeben wurde der Boden zu winzigen Körnchen ohne Tragkraft zermahlen. Auffallend sind immer wieder Strassenabsenkungen bis zu fast einem Meter. Viele Geschäfte und Restaurants sind weg. Ein Wiederaufbau könnte bis zu 15 Jahre dauern. Mehr als 80'000 Einwohner sind weggezogen aus Angst, dass sich ein neues Erdbeben ereignen könnte. Es ist ein trübes Bild, das sich uns bei der Durchfahrt bietet.

    In Rollerston, einem Vorort von Christchurch, lernen wir Volkmar und seine Familie kennen. Volkmar, ein Deutscher, seit 15 Jahren in NZ wohnhaft, hat uns beim Kauf unseres Campers sehr unterstützt. Gerne zeigt er uns seine Firma Euro Campers, auf welche er wirklich sehr stolz sein darf. Den Abend verbringen wir in seinem wohnlichen Haus in gemütlicher Runde mit interessanten Gesprächen und werden dazu mit der besten Pizza aus dem Holzofen und feinstem Wein verwöhnt. Während die Frauen anderntags durch den Markt schlendern, versuchen die Männer ihr Glück beim Lachs fischen. Leider bleibt es beim Versuch.

    Die grossen, grauen Moeraki-Boulders sind ein weiteres Highlight auf unserer Reise. Die oft fast bis zu 2m Durchmesser aufweisenden runden Felsen liegen teilweise versunken an der Gezeitenlinie im Sand. Unter der glatten Oberfläche verbirgt sich ein wabenförmig ausgehölter Kern, der bei einigen zerbrochenen Steinen gut zu sehen ist. Die Felsen ruhten einst tief in den Schieferklippen an Land. Während die Brandung die Klippen auswusch, fielen die glatten Steinkugeln heraus und bildeten als Folge weiterer Erosion ihre auffällige, aderige Oberfläche heraus. Dieser ganze Prozess begann vor über 60 Mio. Jahren, als sich schlammige Sedimente mit Muschel- und Pflanzenresten auf dem Meeresboden anlagerten.

    Vom Hafen der Stadt Queenstown aus haben wir einen traumhaften Blick über den Wakatipu See bis zu den zerklüfteten Berggipfeln der Remarkables Bergkette. Es wimmelt von jungen Menschen, die Nervenkitzel pur suchen. Queenstown ist die Hochburg der Sportler. All die Abenteueraktivitäten von Swinging und Bungy-Jumping, Canyonning im Neoprenanzug, Rafting oder River-Sledging bis zu den wildesten Jetboot-Fahrten auf den Flüssen lässt sich alles hier buchen. Aber uns Alten, inzwischen ist ja Christian auch 50 geworden, lockt keines der Angebote und wir verdrücken uns in eine Dachbar mit ohrenbetäubender Musik zum Sundowner.

    Als letztes Erlebnis in diesem Blog möchte ich dir von der Begegnung mit dem Schweizer Thomas Schneider erzählen. Er ist ein Freund aus alten Zeiten von Kathrin, Christians Schwester.
    Sumpfi, so sein Übernahme, ist vor gut 20 Jahren nach Neuseeland ausgewandert und hat sich am Wakatipu See ein Stück Land gekauft. Innerhalb der letzten Jahrzehnte ist hier ein exzentrisches, alternatives und idyllisches Gästehaus entstanden. Es ist unvorstellbar, aber alles, wirklich alles, ist von Thomas selber kreiert, aufgebaut, hergestellt, ausstaffiert und dekoriert. Sogar die Holzmöbel, die gewobenen Wandteppiche, Bilder, Dekorationen, die Tierfelle und alle Blumenarrangements stammen aus Eigenproduktion. Die Spüle der Toilette zum Beispiel funktioniert über ein Aquarium mit Fischen, die Badewanne ist aus kleinen Steinen vom Strand gemauert, der Wanne entlang spriessen lebende Farne. Der Wasserhahn ist aus Holz geschnitzt und die Seifenschale aus Muscheln geklebt. Und das ist nur ein kleines Detail vom Badezimmer. Ich kann gar nicht alles schildern, ich wäre in drei Tagen nicht fertig, die abertausenden von liebevollen Details im und um das Haus zu beschreiben.  
    Thomas freut sich sehr über den Besuch aus der Heimat und verbringt viel Zeit mit uns. In langen Gesprächen erfahren wir, warum er nicht mehr glücklich ist und gegen Neuseeland eine Hassliebe entwickelt hat. Er gibt uns Hintergrundinformationen, die der „normale“ Tourist nicht zu hören bekommt. Sumpfi nimmt kein Blatt vor den Mund und berichtet über drastische Umweltprobleme, die nicht bei der Wurzel gepackt werden. Er berichtet über Gifte, die gestreut werden, die in Europa schon lange verboten sind. Und er wehrt sich und wehrt sich, doch es fruchtet nicht. Und das macht ihm grosse Sorgen.

    Wir versuchen, Thomas darauf hinzuweisen, dass in seinem Paradies die Welt noch in Ordnung ist. Da schwimmen die glücklichsten Forellen im Teich, die Enten watscheln durch den Garten, die Vögel zwitschern laut ihr Lied und die Schmetterlinge und Bienen werden nicht müde, von Blüte zu Blüte zu tanzen. Somit ist dieses kleine Reich doch ein Geschenk für die ganze Welt.
    Hier der Link: www.littleparadise.co.nz


    Nun, das war der erste Teil unseres NZ-Berichtes. Der zweite Teil ist in Arbeit.

    Herzlichst Evelyne und Christian

     

     

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      Fiji

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      ...und hier kommt das nächste Abenteuer...

      Mit der Segelfahrt von Samoa nach Fiji verlassen wir ein ursprüngliches Gebiet und kommen in touristischere Gegenden. Auf den zwei grossen Inseln treffen wir auf Städte mit einigermassen moderner Infrastruktur. In der Inselgruppe der Yasawas sehen wir kleine, traditionsgebundene Dörfer und grandiose, kontrastreiche Landschaften. Doch eines nach dem anderen. 

      Die Reise nach Fiji gestaltet sich sehr abwechslungsreich. Anfänglich befinden wir uns auf offener See. Danach segeln wir durch unzählige vorgelagerte Inselgruppen. Vor allem nachts navigieren wir mit grösster Achtsamkeit. Die Inseln scheinen viel näher zu sein als sie es in Wirklichkeit sind. Dazu kommt, dass wir uns auf das zum Teil über hundert jährige Kartenmaterial nicht blind verlassen können. Viele Riffe sind ungenau eingezeichnet und schon so manche Yacht ist hier aufgelaufen. Seriöses Navigieren und Augapfelnavigation sind in fijianischen Gewässern ein absolutes Muss. 

      Erstes Ziel ist die Insel Vanua Levu mit der Einklarierungsmöglichkeit in Savusavu. Unglaublich ist, dass wir zusammen mit zwei anderen Schweizer Yachten in die Bucht einlaufen. Und es wird noch besser. Am Ende der Woche liegen unter den ungefähr zwanzig Schiffen sieben Yachten mit Schweizerflagge. Da soll noch jemand sagen, wir Schweizer seien kein unternehmungslustiges Völkli. 
      Wir freuen uns sehr über die lang ersehnte Bekanntschaft mit Yvonne und Bruno von der CH-Segelyacht Momo. Wir haben ihre Reise der letzten 12 Jahre auf ihrem Blog mitverfolgt, doch unsere Wege kreuzen sich erst hier in Fiji.
      Der Eindruck von Vanua Levu ist und bleibt regnerisch. Wir haben buchstäblich 14 Tage kühles Miesewetter. So verzichten wir auf jegliche geplanten Ausflüge auf dem Festland und geniessen statt dessen den Kontakt mit unseren Landsleuten. Wir Frauen besuchen regelmässig Yoga-Tanz-Kurse, die von einer Brasilianerin geleitet werden und dementsprechend feurig sind, während sich die Männer in der Zwischenzeit über die einschlägigen Themen Technik, Reparaturen, Routen und Navigation unterhalten. Für ein paar Franken essen wir gemeinsam auswärts einheimische Spezialitäten oder die schärfere Kost beim Inder. In der Stadt selber finden wir das Nötigste wie Früchte und Gemüse, sonst gibt Savusavu nicht viel her.

      Ovalau liegt östlich von Viti Levu, der grössten Insel von Fiji. Diese ruhige, scheinbar über alte Zeiten sinnierende Insel, in der Gestern und Heute zeitlos verschmelzen, ist etwas für Träumer mit Sinn für Geschichte und Geschichten. Wer eine Zeitreise in das Fiji der ersten Händler und Siedler unternehmen möchte, ist hier genau richtig.
      Die Insel ist eiförmig, etwa 100km2 gross und vulkanischen Ursprungs. Sie ist umgeben von einem herrlichen Korallenriff, das viele Taucher anlockt. 
      Charakteristisch für das Inselinnere ist die zerklüftete Landschaft mit den bis zu 600m ansteigenden, jedoch längst erloschenen Vulkankratern. Das wiederum ist ein Paradies für Wanderer.

      Die Stadt Levuka mit ca. 3000 Einwohnern war einst Fijis Hauptstadt, bis sie 1883 nach Viti Levu verlegt wurde. Heutzutage ist kaum noch vorstellbar, dass dieses verschlafene Nest Schauplatz des Booms war, den Fiji Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte. Mehr als 50 Hotels und Kneipen reihten sich damals entlang der heute so geruhsamen Beach Street.
      Die Kleinstadt hat wegen der historischen Rolle, die sie bei der Gründung des modernen Inselstaates Fiji gespielt hatte, die Anerkennung als UNESCO-Welterbe beantragt und eben erst bekommen. Beim Spaziergang der Uferpromenade entlang kommen wir an vielen, mehr als 100 Jahre alten, zum Teil liebevoll renovierten Lagerhäusern und Läden vorbei. Wir finden ein kleines Restaurant und sind mehr als erstaunt über die feine Zubereitung unseres Nachtessens. 

      Trotz unstetem Wetter entschliessen wir uns für die Weiterfahrt nach Viti Levu. Die Hauptstadt Suva hat sich in den letzten Jahrzehnten zum grössten urbanen Zentrum im gesamten Südpazifik entwickelt. Eine Metropole, laut und zuweilen hektisch. Das kosmopolitische Flair kann man am Samstagmorgen auf dem Markt sehen, wenn Fijianer aus den unterschiedlichsten Regionen des Landes, Inder, Muslime und Sikhs, Chinesen, Europäer und Menschen aus anderen südpazifischen Inselstaaten hier für das Wochenende einkaufen. Es ist ein farbenfroher Markt, der grösste, den wir je gesehen haben. 

      Die Stadt ist Sitz der 1968 eröffneten Universität of the South Pacific, die von 12 Inselstaaten unterhalten wird. Auch das Pacific Theological College, die Fiji School of Medicine und das Fiji Institute of Technology sind hier angesiedelt. 
      Darüber hinaus verfügt Suva über einen riesigen, wirtschaftlich bedeutenden Naturhafen und Fijis zweiten internationalen Flughafen. An die koloniale Vergangenheit von Suva erinnern heute nur noch die Strassennamen und einige Gebäude der Stadt.

      All diese Informationen bekommen wir während der privaten und exzellenten Stadtrundfahrt mit dem Auto von Sonia und Ross Mc Donald. Die beiden sind Tante und Onkel eines lieben Freundes von uns mit fijianischen Wurzeln. Das liebenswürdige, ältere Paar lädt uns zum Mittagessen ein und den Tee mit typischem Gebäck servieren sie uns in ihrem wunderschönen Haus in Suva. Ross führt uns durch seinen liebevoll gepflegten Orchideengarten und zeigt uns mit grosser Freude die unglaubliche Artenvielfalt. Glücklich und reich beschenkt geht für uns ein eindrücklicher Tag zu Ende. 
      Am nächsten Morgen holt mich Sonia erneut ab und zeigt mir verschiedene Stoffläden. Wir zwei Frauen schwelgen in den bunten Materialien und werden zu diversen Handarbeiten inspiriert. So kehre ich am Abend mit vollen Säcken, sprich viel Arbeit, auf Samuri zurück.

      Bei einem zweiten Stadtbesuch schlendern wir durch verschiedene Handwerkermärkte. Wir sind von den Holzschnitzereien, die auf verschiedenen Inseln in Familientradition hergestellt werden, so begeistert, dass wir eine kleine Kiste mit diversen Kunstwerken füllen und diese in die Heimat verschiffen lassen.

      Viele Segler wählen für ihren Weg nach Westen die Nordküste der Insel Viti Levu. Wir entschliessen wir uns für die Südküste, denn wir wollen unbedingt den Tauchgang mit den Bullenhaien machen, der eine Tauchschule auf Bega anbietet. 
      Die Organisatoren haben nicht zu viel versprochen. Die Fütterung dieser fetten, ungefähr dreieinhalb Meter grossen Haie ist ein wirkliches Spektakel. Wir Taucher liegen im Schutz einer kleinen Korallenwand, während die erfahrenen Führer die fetten Tiere mit einer langen Stange oder sogar von Hand mit Thunfischköpfen füttern, die sie aus einem Plastikcontainer herausfischen. Unter den Tieren ist keinerlei Hektik zu spüren. Wir fühlen uns sicher und können die Fütterung dieser graziösen Raubtiere in aller Ruhe beobachten.  

      Inzwischen ist das Wetter stabil geworden. Eine genussreiche Segelfahrt mit dem Parasailor lässt uns die 50 Seemeilen zur Robison Crusoe Island richtig auskosten. Kaum angekommen, sitzen wir schon in einer mitreissenden und stimmungsvollen Show. Mit grösstem Enthusiasmus und Stolz präsentieren uns die Einheimischen ihre traditionellen Tänze, Feuertänze und die Kava-Zeremonie.
      Der Feuertanz ist ein Ritual, das sowohl von Fijianern als auch von Indern, wenn auch mit einigen Unterschieden, praktiziert wird. In der fijianischen Sprache heisst es: vilavilairevo, was nichts anderes heisst, als "in den Ofen springen". Ein Feuertänzer besitzt die Kraft, ohne Schmerzen über glühende Steine zu gehen, ohne sich die Fusssohlen zu verbrennen.
      Der Legende nach erwarb der Krieger Tuina Iviqualita aus dem Sawau-Clan von der Insel Beqa als erster diese Fähigkeit. Beim Fischen begegnete dem Krieger ein übernatürliches Wesen in Gestalt eines Aales. Zum Dank dafür, dass er ihn am Leben liess, übertrug dieses Wesen dem Krieger und all seinen damaligen wie zukünftigen männlichen Familienmitgliedern die Macht über das Feuer.
      Während das Ritual ursprünglich nur bei besonderen Anlässen praktiziert wurde, ist seit Ende der 1950er Jahre eine zunehmende Kommerzialisierung zu beobachten. Firewalking ist heute ein wichtiger Bestandteil von Hotelshows an der Südküste Viti Levus.

      Wie ich im letzten Blog versprochen habe, möchte ich hier die Kava-Zeremonie etwas ausführlicher beschreiben. 
      Yaqona (Yangona ausgesprochen) ist das Nationalgetränk Fijis. Es wird aus den getrockneten und anschliessend zerkleinerten Wurzel- und Stammstücken des Pfefferstrauchs unter Wasseraufguss hergestellt. 
      In voreuropäischer Zeit durften nur Oberhäupter und traditionelle Priester Yaqona trinken. Sie wurde ausschliesslich während Gebeten oder besonderen Anlässen konsumiert, bei denen die Götter um Rat und Hilfe ersucht wurden. Heute dagegen sind Familienfeste oder alltägliche Dorfabende ohne das gemeinsame Yaqona-Trinken aller Anwesenden schlicht undenkbar. 
      Bei grossen Anlässen sind Zubereitung und Anbieten der Yaqona strengen Verhaltensregeln unterworfen. Meist aber wird sie in zwangloser Form getrunken. Auf Märkten sieht man häufig Männer um eine Schüssel sitzen, in Banken und Büros wird Yaqona als Erfrischungsgetränk gereicht.
      Wer bei Fijianern eingeladen ist oder einen Dorfaufenthalt plant, bringt ein Bündel Yaqona-Wurzeln als Gastgeschenk mit. Das nennt sich Sevusevu. 
      Während der eigentlichen Yaqona-Zeremonie sitzen die teilnehmenden Personen in einem Halbkreis. Die Männer im Schneidersitz, die Frauen mit zur Seite angewinkelten Beinen auf dem mit Matten ausgelegten Fussboden. Auf der anderen Seite der Matte befindet sich ein grosse Holzschale. Der dahinter sitzende Mann bereitet die Yaqona zu, indem er die zu Pulver gestampften Wurzelstücke in ein Tuch gibt und dieses in der mit Wasser gefüllten Holzschale presst und wringt. Hat die Flüssigkeit die gewünschte Farbe erreicht, wird eine halbe, bearbeitete Kokosnussschale gefüllt und dem ranghöchsten Teilnehmer der Runde überreicht. Wer an der Reihe ist, klatscht ein mal mit hohler Hand und sagt: Bula! Dann nimmt man das Schälchen mit beiden Händen in Empfang und leert es ohne abzusetzen. Man gibt es zurück und klatscht anschliessend drei mal.
      Der Genuss der alkoholfreien Yaqona hat keine Begleiterscheinungen oder Nachwirkungen. Im Gegenteil, er ist erfrischend, entspannend und beruhigend. Allenfalls hat man nach dem Genuss einen etwas pelzigen Geschmack auf der Zunge, der jedoch rasch vergeht. 

      Wir freuen uns sehr auf Melanie und Michael. Sie brechen den Rekordbesuch auf der Samuri. Schon das vierte Mal segeln sie mit uns mit. 
      Morgens um sechs Uhr stehen wir als Empfangskomitee am Flughafen in Nadi bereit. Nach einem reichhaltigen Frühstück besuchen wir den grössten hinduistischen Tempel der südlichen Hemisphäre. Der wirklich sehenswerte Siva Subramaniya Swami-Tempel wurde 1994 eröffnet. Die Gläubigen geben uns Besuchern ein Wickeltuch, einen sogenannten Sulu und führen uns danach durch die farbenfrohen Gebäude. 
      Danach decken wir uns am riesigen Gemüse-und Früchtemarkt für die nächsten 14 Tage ein, denn wir wissen nicht, ob es eine erneute Einkaufsmöglichkeit geben wird.
      Jetzt können die Abenteuerferien losgehen. Ein kleiner Schlag bringt uns zur Inselgruppe der Mamanucas. Es sind rund 20 flache Koralleninseln, die der Westküste Viti Levus vorgelagert sind.
      Hier wurde der US-Spielfilm "Cast Away" gedreht, bei uns besser bekannt unter dem Titel "Verschollen". Chick Noland, hervorragend gespielt von Tom Hanks, überlebt als einziger nach einem Flugzeugabsturz und hofft auf einer einsamen Insel vier Jahre lang auf Rettung.
      Die Mamanucas bieten uns weisse, feinsandige Bilderbuchstrände, türkis und pastellgrün leuchtende Lagunen und herrliche Tauchgebiete. So wird der erste gemeinsame Tauchgang mit meinen Kindern zu einem besonderen Erlebnis. 

      Unser Weg führt uns weiter nach Norden zur Inselgruppe der Yasawas. Obwohl diese zu den bekanntesten und touristischeren Inseln von Fiji gehören, finden wir ruhige Buchten, in welchen wir uns bestens ein paar Tage verweilen können. Die Ferien von Melanie und Michael werden auch für Christian und mich zu Ferien. Wir schnorcheln täglich in den wunderschönsten Korallenbänken, entdecken neue Fischarten und eine Korallenvielfalt, wie wir sie noch nirgends je gesehen haben. Wir leben in den Tag hinein und gestalten ihn nach Lust und Laune.

      Nach 14 Tagen, gut erholt und vollgetankt mit Sonne, wechseln die Kinder auf den "Awesome Cat", der sie vom Norden der Yasawas in rasanter Fahrt zurück nach Nadi bringt, wo sie das Flugzeug nach Hause besteigen. Uns allen bleibt eine unvergessliche gemeinsame Zeit.
      Christian und ich können uns nun zehn Tage Zeit nehmen, bis wir in der Vudapoint Marina bei Nadi unsere Reservation für einen Liegeplatz wahrnehmen müssen. Hier wird Christian auf seine Crew warten, mit denen er die Überfahrt nach Neuseeland machen wird. Ich hingegen bin am Koffer packen und freue mich sehr auf meine Heimreise.

      Inzwischen sind einige Wochen vergangen. Die Crew hat Samuri sicher und ohne Probleme nach Neuseeland gesegelt. Das Schiff liegt auf dem Trockenen und Christian hat sich inzwischen auch an die kalte Schweiz gewöhnt. Der Jahreswechsel steht unmittelbar vor der Tür. 

      Wir hoffen, dass ihr alle eine lichtvolle Weihnachtszeit verbringen durftet, und wir wünschen euch wundervolle Erfahrungen und unvergessliche Höhenflüge im neuen Jahr.

      Herzlichst 
      Evelyne und Christian

       

      Anhang von Christian:

      Schon Monate zuvor erhielt ich die Zusage von Annette & Harald, alt bekannten Segelfreunden und Urs, dem Vater meines Schwiegersohnes in Spe, mich auf der Überfahrt nach Neuseeland zu begleiten. 
      Dieses Team, alles erfahrene Segler mit B-Schein und sogar einem Arzt (Urs) an Bord, gab mir viel Vertrauen und Sicherheit, uns und Samuri sicher nach NZ zu bringen.
      Die Schwierigkeit des Törns ist, das richtige Wetterfenster zu finden. Man muss mit zirka 7-10 Tagen Segelzeit rechnen und einem Wettersystem, das in fast wöchentlicher Regelmässigkeit ein Tief aus der Tasmansee daher bringt. Die Chance, dass man früher oder später auf diesem Schlag von einer Front erwischt wird, ist somit mit grosser Wahrscheinlichkeit gegeben.

      Ich fasse mich nun kurz und mache es mir einfach, indem ich die Tagesberichte der Überfahrt, welche einige von euch bereits im "aktuellen Standort" gelesen haben, wiederhole. Nach einer Wartezeit in Fiji von gut einer Woche, während der meine Crew Zeit für einige Ausflüge in der Umgebung hatte, wagten wir bei einer recht positiven Wettervorhersage den Absprung.

      09.11.2013
      Das erste Etmal ist 120sm. Nicht berauschend, aber o.k. Die ersten 16 Stunden mussten wir motorsegeln, dann erst setzte der Wind ein. Und wie meistens, viel mehr als angegeben. Wir kämpfen mit gerefften Segeln bei 22-25kn hart am Wind. Die Wellen sind auch schon über 2m hoch. Nicht gerade ideale Bedingungen für Samuri. Uns Männern ist es etwas seltsam im Magen, nur Annette ist quickfidel. Wir wünschen uns, dass der Wind mehr nach Ost dreht, damit etwas mehr Ruhe ins Schiff kommt.

      10.11.2013:
      Heutiges Etmal: 143sm. Die Nacht war stockdunkel, die Fahrt rasant und die Schläge im Schiff mehr als ungemütlich. Es ist nicht die Art von spassigem Segeln, wovon die meisten träumen. Aber meine Mannschaft hält sich tapfer und macht das beste aus der Situation. Heute gegen Mittag liess der Wind und bald darauf auch die Wellenhöhe etwas nach. Und die Sonne zeigte sich kurz durch den sonst dick verhangenen Wolkenhimmel. Dadurch stieg unsere Stimmung merklich und Tätigkeiten wie kochen, durchlüften, lesen oder auch mal ein paar Stunden ruhig schlafen wurden wieder möglich.

      11.11.2013
      Etmal: 129sm. Ahh, heute war unser Chill-Day, wir konnten uns alle erholen und den Ride sogar geniessen. Ein sonniger Tag und vor allem nur noch etwas mehr als 1m Welle, womit sich Samuri recht gut zurecht fand und in weichere Bewegungen überging. Dafür schleichen wir mit nur gut 5kn, da wir so hart am Wind wie möglich zu segeln versuchen, und das ist nun wirklich nicht Samuris Stärke. Die Windrichtung macht uns am meisten Sorgen. Auch für die kommenden Tage ist SE bis SSE angesagt, womit wir kaum Neuseeland direkt anlaufen können. Wenn die Vorhersagen zutreffen, müssen wir eine Wende und einen Holebug fahren, was uns sicherlich einen Tag mehr kosten würde. Hoffen wir, dass sich die Computermodelle zu unseren Gunsten täuschen. Tagesschluss-Highlight: das sehr leckere Filet im Teig von unserer Smutje Annette. 

      12.11.2013
      Keine Überraschung in unserem Etmal, die letzten 24 Stunden waren es wieder 129sm. Der Wind bläst leider unverändert aus SE (anstatt E) und die Wellen haben auch etwas zugelegt. Über Nacht hatten wir einen blinden Passagier an Bord: ein Tölpel setzte sich beim Bug auf die Reeling und legte bis zum Morgengrauen eine Pause ein. Lustig war ihm zuzusehen, wie er sich auf dem in den Wellen wild tanzenden Bug ausbalancierte. Das zweite Tiererlebnis bescherte uns eine grosse Delfinschule, die mit übermütigen Sprüngen auf uns zukam und uns einige Minuten begleitete.

      13.11.2013
      Etmal: 140sm. Gestern kurz vor Mitternacht feierten wir Bergfest. D.h. wir erreichten die Hälfte der optimal abgesteckten Wegstrecke. In der Praxis könnte es jedoch mehr werden, da wir die gewünschte Höhe am Wind kaum halten können. Der Tag begann sonnig und mit einer frischen Brise, so dass wir zwischen 7 und 8kn liefen. Leider setzt sich das nicht in gleicher Weise in Strecke um, da wir seit Tagen gegen einen starken Strom von 0.5 bis 1.5kn kämpfen. Lesen und ein wenig plaudern sind unsere Hauptbeschäftigungen. Jetzt am späten Nachmittag legt der Wind auf gegen 25kn zu und die Wellen sind steil und kurz. Samuri wird wieder zu einer bockigen Geiss und wir erahnen, dass die Nacht wohl nicht so gemütlich wird.

      14.11.2013
      Auch heute ein ganz ordentliches Etmal:159sm. In der Nacht ging es richtig zur Sache und noch tagsüber flogen wir oder Gegenstände durch die Luft, wenn uns eine hohe Welle eine wuchtige Breitseite verpasste. Morgen wird der Wind abnehmen und sogar etwas in die gewünschte Ost-Richtung drehen.Es ist merklich frischer geworden. Die Badehose ist definitiv den langen Hosen und dem Pullover gewichen. Ein dafür positiver Effekt macht sich bemerkbar, wenn man Richtung Süden und in den Frühsommer fährt: die Tageszeit verlängert sich. Sonnenuntergang ist erst um 19:45 Uhr, schön!

      15.11.2013
      Etmal: 147sm. Seit dem frühen Morgen läuft ein Motor mit, denn der Wind wird jetzt laufend bis zu unserer Ankunft abnehmen. Wir haben wieder angenehme See mit einer langgezogenen Dünung. Dazu sonniges Wetter, ja ich bin fast geneigt von Kaffee-Segeln zu sprechen. Annette, Harry & Urs haben unsere verbleibenden 4 Kokosnüsse zu Milch und Snacks verarbeitet, denn die Kiwis resp. deren Biosecurity werden uns alle Früchte, Hülsenfrüchte, Körner, alles Gemüse und Fleisch aus Angst vor Fremdorganismen, Schädlingen und Krankheiten konfiszieren. 

      16.11.2013
      Letztes Etmal: 123sm. Und noch besser: nur noch 110sm to go! Landfall wird, sofern uns nicht noch irgend etwas einen Streich spielt, morgen Nachmittag sein. Wir motoren ausschliesslich, da es kaum mehr Wind gibt. Die See ist glatt, teilweise fast bleiern, und wir werden von einer sanften Dünung auf und ab gehoben. Kurz vor Mitternacht versegelten wir die 1000ste Seemeile auf diesem Törn (1852km). Und heute Nachmittag feierten wir Samuris 25‘000ste Seemeile (46300km)! Also, auf in die letzte Nacht, beginnend mit einem traumhaften Sonnenuntergang und dann mit hellem Mondschein als Begleiter.

      17.12.2013:
      Urs entdeckte als erster um 00:08 Uhr das Leuchtfeuer von Cape Brett. Wir haben es geschafft und sind nach 9 Tagen und 1235sm im Kielwasser in Aotearoa, dem Land der langen weissen Wolke angekommen. Alle sind wohlauf und rückblickend müssen wir sagen, dass wir eine gute Überfahrt hatten. Sehr freundlich wurden wir vom Zollbeamten Bruce und der Agrarinspektorin Helen in ihrem Land willkommen geheissen. Das Einklarierungsprozedere lief flott und sehr zuvorkommend. Nur bei unseren noch vorhandenen Frischvorräten und einigen Hülsenfrüchten kannte Helen keine Gnade, alles wanderte in ihren Abfallsack zur Entsorgung. Da wir noch am späten Nachmittag vogelfrei entlassen wurden, entschlossen wir uns die 12sm nach Whangarei vor die Werft zu fahren.
      Annette & Harry werden morgen von Bord gehen um die noch verbleibende Woche so viel wie möglich zu Tauchen und vom Land zu sehen. Urs hilft mir noch am Mittwoch Samuri auszuwassern und wird die restlichen Tage bis zu seinem Rückflug das Sehenswerte von Auckland erforschen.
      Ein grosser Dank an dieser Stelle an meine Crew, die in sehr professioneller Weise und mit einem tollen Teamverhalten zu diesem sicheren und angenehmen Törn beigetragen hat!

      Samuri steht mittlerweile auf dem Trockenen in der Norsand Boatyard. Das Auswassern verlief sehr professionell, sicher und schadenfrei. Während den 3 Wochen in der Werft waren meine Tage ausgefüllt mit dem Planen und Vergeben diverser Unterhaltsarbeiten an Fachkräfte. Als grösster Posten steht ein neues Segel-Set an. Auch eine neue Cockpitverkleidung, eine Segelpersenning, ein neues Trampolin, neue Hausbatterien und Service an allen 3 Motoren reissen ein ziemlich grosses Loch in unsere Bordkasse. Kurzum, Samuri erhält ein ordentliches Lifting.
      Mein erster Eindruck von Neuseeland ist grossartig. Der kleine Teil, den ich bis jetzt gesehen habe, hat meine Erwartungen übertroffen und ich freue mich riesig, nächstes Jahr mehr von dieser facettenreichen Landschaft und dem Lebensstil der umgänglichen Kiwis kennen zu lernen.

      Die Pläne dazu sehen folgendermassen aus: ich werde ab Mitte Januar für 3-4 Wochen weiter an Samuri arbeiten. Evelyne wird mir anfangs Februar folgen und gemeinsam werden wir mit dem bereits erstandenen Oldtimer-Campervan bis zirka Mitte April Neuseeland landseitig bereisen. Mehr darüber im nächsten Bericht. 

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        Samoa

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        You lie on a mat in a cool Samoan hut and look out on the white sand under the high palms and a gentle sea.
        And then among it all are the loveliest people in the world, moving and dancing like gods and godesses.
        It is sheer beauty, so pure that it is difficult to breathe it in.

        Rupert Brooke, poet an tourist, 1913

        Dieses Gedicht ist die Einführung in das Kapitel "Samoa" im bunten Kochbuch von Robert Oliver. In diesem Buch werden die Kultur und viele einheimische Rezepte einiger Inseln des Pazifischen Raumes vorgestellt. 
        Die eine Ideologie dieses Werkes war, die lokale Esskultur auf die Speisekarten der Ressorts und Restaurants zu bringen. Eine zweite Mission war, die Köche zu überzeugen, die Kochzutaten nicht von Übersee zu importieren, sondern eine Zusammenarbeit mit den lokalen Bauern anzustreben, und sie somit in die Tourismusmaschine einzubinden. 
        Es brauchte viel Motivationsarbeit des Autors, die Einheimischen zu überzeugen, dass es ihre Küche wert ist, sie in die Welt zu tragen. Seine Mühe trug Früchte, es entstand ein farbiges und fantastisches Buch.

        Gekauft habe ich es in einem Kunstladen in Apia, der Hauptstadt von Upolu, der einen Insel von Samoa, die wir bereist haben. Ja, wir sind in einem anderen Land einklariert und nach der eher ungemütlichen Überfahrt voller Entdeckungsdrang auf sicherem Boden.

        Die Inselgruppe von Samoa besteht aus neun Inseln, fünf davon sind unbewohnt. Savaii ist die grösste der Inseln mit 1'812 km/2; Upolu, mit der Hauptstadt Apia, die zweitgrösste mit 1'036 km/2 Fläche. Die Vulkaninseln sind hügelig bis bergig. Besiedelt sind vor allem schmale Küstenstreifen, das Inselinnere wird soweit wie möglich als Plantagen- und Weideland genutzt. Angebaut werden Taro, Yams, Bananen, Kaffee und Kakao. Samoa versucht, möglichst auch Produkte wie Fisch, Bier oder Noni-Produkte zu exportieren. Doch das Importvolumen übersteigt das Exportvolumen um das Achtfache. Das Land ist stark von den Überweisungen der im Ausland lebenden Samoaner und vom Tourismus abhängig. 

        Im letzten Dezember fegte ein Zyklon über Apia. Leider wurde Vieles zerstört. Die Hälfte der beschädigten Schwimmdocks im Hafen sind bis heute nicht geflickt. Viele Gebäude in der Stadt sind halbe Ruinen. Die ehemalige Markthalle ist geschlossen. Die Bauern verkaufen ihre Produkte unter schäbigen und undichten Wellblechdächern. Doch für die Renovierung der Kirchen scheint bei den sehr gläubigen Samoanern genügend Geld vorhanden zu sein. Auf Hochtouren werden neue Gotteshäuser erbaut. 
        Die Samoaner sind zu 98% gläubige Christen. Der Sonntag ist ihnen heilig. Gearbeitet wird nichts. Am Sonntagmorgen liegt Smog über Apia. Aus vielen Häusern qualmen die Erdöfen, die die Männer einheizen, um nach dem Kirchgang mit der Familiensippe das Mahl zu geniessen. Am Nachmittag wird nochmals Gebetsstunde gehalten. 
        Wer in den Gottesdienst geht, gibt seine Spende beim Eingang ab. Name und Summe werden notiert und gegen Ende der Messe der ganzen Gemeinde vorgelesen. Keine Frage: das erzeugt einen unglaublichen Druck auf die Einheimischen und viel Geld landet somit in der Tasche der Kirche oder des Priesters.
        Kommen wir mit Taxifahrern oder Kindern ins Gespräch, ist eine der ersten Fragen, ob wir an Gott glauben. So hat uns der Name "Christian" schon ein paar Mal gerettet und uns in ein gutes Licht gestellt. 

        Samuri liegt im ruhigen Hafen von Apia. Tröpfchenweise laufen bekannte Yachten ein. Das Wiedersehen vieler Freunde macht Spass. Der Austausch ist rege. Alle haben einander viel über die vergangenen Wochen zu berichten. Sehr berührend ist, dass ich eine ehemalige Shiatsustudentin von Luzern antreffe, die mit ihrer Familie auch schon vier Jahre auf dem Meer unterwegs ist. 
        Im Flug vergeht in Apia ein ganzer Monat. Die Stadt ist unser Ausgangspunkt für viele Erlebnisse. Gerne erzähle ich dir einige:

        Polizeiparade:
        Jeden Morgen um 8:45 Uhr macht sich ein Polizeicorps bereit, schnittig bekleidet mit hellblauem Hemd und dunkelblauem Lavalava (Wickelrock). Zu schmissiger Blasmusik marschiert die Formation auf der Hauptstrasse bis zum Regierungsgebäude und stoppt militärmässig auf dessen Vorplatz. Hier wird die Landesfahne gehisst, dann geht es den ganzen Weg zurück. Um 9 Uhr heult die Sirene auf. Es ist das Zeichen zum Arbeitsbeginn. Um 13 Uhr heult die Sirene zur Mittagspause und abends um 17 Uhr zum Arbeitsschluss. Dann kehrt auf der Strasse Ruhe ein. Die folgende Stunde gilt dem Gebet. 

        High Tea:
        Schon seit den Galapagos trage ich eine Visitenkarte bei mir. Die liebenswürdige Besitzerin eines Kunstladens von Santa Cruz bat mich damals, falls ich je nach Apia / Samoa kommen werde, ihre Freundin Marita im Plantation House zu besuchen und ihr die herzlichsten Grüsse zu überbringen. 
        Aber wo finde ich dieses Plantation House? Es gibt keine Inserate und die Taxifahrer kennen es nicht. Mein Bauchgefühl bringt mich in einen Kunstladen, und prompt finde ich hier des Rätsels Lösung. Ich strample in der brütenden Hitze mit dem Fahrrad los und komme nach einer Stunde schweissgebadet an. 
        Marita ist hoch erfreut über meinen Besuch. Sie zeigt mir ihr Haus, in welchem sie handbedruckte Stoffe und die daraus gefertigten Stücke präsentiert. Einmal wöchentlich bietet sie in ihrem wunderschönen Gartenhaus High Tea an. Am nächsten Mittwoch dürfen wir ihre Gäste sein. Es ist einfach wunderbar.
        Die Tische sind mit den selbst kreierten Tischtüchern bedeckt, mit tropischen Blumen aus dem Garten geschmackvoll geschmückt und der Tisch ist liebevoll gedeckt. In altem zusammengewürfelten Porzellan serviert Marita Tee und die besten, selbst gebackenen Leckereien. Ein süsser Sherry rundet den unvergesslichen Nachmittag ab.

        Museum / Villa Vailima: 
        Mit dem Mittagessen und viel Wasser im Rucksack satteln wir die Fahrräder. Die 4 km Weg müssen am Hügel hart erkämpft werden. Die Villa Vailima, ein im westlichen Stil erbautes Herrenhaus, war das ehemalige Anwesen des schottischen Schriftstellers Robert Stevenson, aus dessen Feder Werke wie "Die Schatzinsel" stammen. Stevenson verbrachte hier seine letzten vier Lebensjahre, bevor er 1894 starb. Vor seinem Tod verfasste er seine Grabinschrift. Beerdigen liess er sich auf dem nahen 475 m hohen Mt. Vaea.
        Unsere verrosteten Knochen brauchen Bewegung. Wir wollen den Hügel erklimmen.
        Der Weg dorthin soll vom Sturm im letzten Dezember mit Fallholz versperrt worden sein. Es gäbe einen neuen, aber sehr steilen Weg, die Abzweigung können wir nicht verpassen, meint der Museumsführer. Wird schon gehen... 
        Der Beginn des Weges ist wunderbar beschildert, kein Problem. Nach etwa 20 Minuten Marsch hört der Weg auf. Wir stehen vor dem zerstörten Sturmwald. Eine Wegverzweigung haben wir nirgends gesehen. Sie wird bestimmt kommen, denken wir und beginnen, über die ersten Hindernisse zu klettern. Anfänglich geht es gut, doch nach einigen Minuten sind wir ratlos. Wir sind nur noch am Klettern und ziehen uns mühsam durch das Geäst und durch lästiges Efeu den inzwischen steil gewordenen Hang hoch. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo es kein Zurück mehr gibt. Also weiter.
        Nach einer halben Stunde stehen wir zuoberst auf dem Hügel, doch nach wie vor mitten im dicksten Dschungelunterholz. Wir haben keine Ahnung, in welcher Richtung das Grab liegen könnte. Wir lassen Logik und Bauchgefühl sprechen. Wir sind zum Glück gut unterwegs. Schon nach 5 Minuten sehen wir eine Lichtung und vor unseren Augen öffnet sich der versprochene, grandiose Ausblick auf die Küste der Insel und das Meer mit dem vorgelagerten Riff. Völlig verschwitzt und schmutzig hocken wir uns ins Gras und füllen unsere hungrigen Bäuche. Das war wieder einmal ein Ausflug "à la Nigg". 
        Auf dem Heimweg schauen wir uns die Herstellung von Seifen und Körperlotionen an. Eine Schweizerin, die auch das Schweizer Konsultat betreut, und ihr einheimischer Mann führen die Firma Mailelani seit 15 Jahren und haben mit ihren biologischen Produkten grossen Erfolg. 

        Erdofen (Umu)--Essen:
        Annemarie und Bernhard von der Segelyacht Mariposa lernen den Taxichauffeur Taula kennen. Er bietet uns Seglern an, uns in seinem Haus am Kochzeremoniell des traditionellen, samoanischen Erdofen-Essens teilhaben zu lassen. 
        Zu acht fahren wir ins Landesinnere zu Taulas Haus. Seine ganze Familie und seine Geschwister mit deren Kindern erwarten uns freudig. Wir Gäste werden mit einer Trinkkokosnuss begrüsst, frisch mit der Machette aufgeschlagen.
        Unter einem Unterstand qualmt ein Feuer, bedeckt mit vielen Lavasteinen. Die Männer sind damit beschäftigt, die Steine auf der Glut immer wieder zu drehen, damit sie durch und durch heiss werden. 

        Die Frauen sind mitten in den Kochvorbereitungen. Es gibt:

        -  Palusami: dazu werden Kokosnüsse geraffelt, in ein Tuch gegeben und ausgepresst. Das gibt die frische Kokosmilch. Flinke Frauenhände formen junge Blätter der Taropflanze zu einem Behälter, füllen ihn mit Kokosmilch, fassen die Blätter oben zusammen und umwickeln das Ganze mit einem Blatt des Brotfruchtbaumes zu einem kompakten Päckli. Dieses wird auf die heissen Steine gelegt. Beim Garen dickt die Kokosmilch ein und wird ähnlich wie Quark. 
        -  Taro: es ist die Kartoffel der Südsee, etwa faustgross. Die Taro wird in Kokosblätter gewickelt.
        -  Brotfrucht: die Frucht des Brotfruchbaumes. Sie ist etwas süsslich, auch kartoffelähnlich. Gekühlt hält die "Uru" ein paar Wochen, liegt sie an der Wärme wird sie innerhalb von zwei Tagen sehr weich und schmeckt nach reifen Bananen. Die Brotfrucht wird in Stücke geschnitten und in Bananenblätter gepackt. 
        -  Stücke von Fisch, Huhn und Schwein: sie werden zusammen mit Kokosmilch in Bananenblätter eingewickelt. Fische und Schweine werden teilweise auch in ganzer Grösse in den Umu gelegt.    
        -  Reis: er wird in der Pfanne gekocht.

        Sämtliche Umu-Speisen werden auf die heissen Steine gelegt, mit vielen Lagen Bananenblättern zugedeckt und wärend gut 35 Minuten gegart.

        Bis das Mittagessen bereit ist, werden wir in eine weitere Tradition, das "Ava"-trinken eingeführt. Das Nationalgetränk wird aus den getrockneten und anschliessend zerkleinerten Wurzel- oder Stammstücken des Pfefferstrauchs unter Wasseraufguss hergestellt. Taula füllt die Tasse, eine Kokosnussschale, und gibt das Getränk allen Gästen reihum zum Probieren. Es sieht aus wie Abwaschwasser, schmeckt annäherend so und hinterlässt ein Kribbeln auf der Zunge, das einige Minuten anhält. Es soll vor allem "das" Getränk für die Männer sein. 
        Mehr über diese Zeremonie werde ich im Blog von Fiji erzählen.

        Nach einer guten halben Stunde werden wir zu Tisch gebeten. Als Gäste essen wir zuerst, die Familie wird sich nachher bedienen. Mit Palmenwedeln verscheuchen die Jugendlichen die Fliegen, die sich auf die Mahlzeit stürzen wollen. Alles schmeckt ausgezeichnet!

        Inselrundfahrt mit dem Mietauto:
        Achtung, hier gilt Linksverkehr! Ende 2007 hatte der samoanische Premierminister bekannt gegeben, er werde im 2009 den Linksverkehr einführen. Was das hiess? Neue Verkehrsschilder, neue Ampeln, Umgestaltung der Kreuzungen, neue Fahrzeuge und rasches Umdenken, damit der Blinker nicht zum Scheibenwischer wird. Der Grossteil der Bevölkerung wehrte sich. So wurde versucht, den Spurwechsel bei der Bevölkerung mit einem Feiertag und Strassenfesten zu versüssen. 
        Bis anhin wurde der Grossteil der Autos aus den USA importiert. Heute dagegen sind die wirtschaftlichen Bindungen zu Australien oder Neuseeland enger. Und aus diesen traditionell links fahrenden Ländern werden zukünftig auch die Fahrzeuge stammen, die die Bürger Samoas kaufen. 

        Christian findet sich im Verkehr problemlos zurecht. Wir kurven mit dem gemieteten "Allrader" der Küste entlang. Den ersten Stopp gibt es im Piula Cave Pool. Ein ovales Naturbecken wird von einer Quelle gespeist, die in einer Höhle bei der nahe liegenden Kirche entspringt. Wir gesellen uns zu den wenigen Fischen im kristallklaren Süsswasserpool. Wir geniessen die willkommene Erfrischung.

        Aber dann treibt es mir den Schweiss geradezu wieder aus den Poren. Wir sind auf dem Weg ins Holzschnitzerdorf Uafato. Die Strasse nur zu finden ist schon ein Erlebnis wert. Unser Vierradantrieb quält sich im Schritttempo die äusserst holprige Strasse hoch. Wir sitzen im Schüttelbecher. Schaue ich auf die Strasse, sehe ich nur Löcher und Steine. Schaue ich links aus dem Fenster, sehe ich senkrecht hinunter zur Küste, schaue ich nach rechts, sehe ich einen lachenden Fahrer, der dieses Bergrally sichtlich geniesst. Einatmen - ausatmen - einatmen und entspannen! 
        Nach einer knappen Stunde sind wir in Uafato, wieder auf Meereshöhe. Wir treffen auf Kili, einer der besten Holzschnitzer. Sein Atelier liegt direkt am Meer und wird von einer sanften Brise durchlüftet. Was für ein privilegierter Arbeitsplatz. Alle Kunststücke schnitzt Kili aus dem Ifilele-Holz, einem sehr harten und schweren, einheimischen Holz, das er selber im Wald schlägt. Wir schauen ihm bei der Arbeit zu und haben das Glück, mit einer formtypischen Schale und einem Mörser im Kofferraum den Rückweg anzutreten. Weitere von ihm gefertigten Kunstwerke hat Kili schon nach Apia zum Verkauf gebracht. 

        Wir fahren der Küste entlang und bewundern die bepflanzten Strassenränder, kommen durch malerische Dörfchen und staunen über die sorgfältig gepflegten Vorgärten der oft oval erbauten Häuser. Diese sogenannten Fale bestehen aus gewölbten Dächern, die meist aus Kokoswedeln geflochten sind. Wände gibt es nicht. So haben wir den Einblick und den Durchblick in die privatesten Sphären der Menschen. Bei starkem Regen können seitlich Kokosmatten heruntergelassen werden. Ab und zu hängen bunte Tücher als Vorhänge oder als Schattenspender. Ein Privatleben ist in Samoa weitestgehend unbekannt.

        Die erste Nacht auf unserer Reise verbringen wir in so einem Fale. Es steht direkt am Strand, ist auf Stelzen gebaut, auf dem Boden liegt eine Matratze, rundherum gibt es ein Moskitonetz, das ist alles. Die sanitären Anlagen und die Dusche befinden sich neben dem Hauptgebäude über der Strasse. Dort gibt es für alle Reisenden ein gemeinsames Nachtessen und das Frühstück anderntags. 
        Am nächsten Morgen fühlen wir uns nicht wirklich ausgeruht. Das Rauschen des Meeres und die dünne Matratze haben uns wenig schlafen lassen. Doch wir sind um eine Erfahrung reicher geworden.

        Baha'i Tempel / Baha'i House of Worship:
        Die neun Seiten des im Jahre 1984 fertig gestellten Tempels der Baha'i Glaubensgemeinschaft mit seiner 20 Meter hohen Kuppel symbolisieren die Weltreligionen. Der Tempel lädt die Besucher zum Gebet und zur Meditation ein. Die umliegende Parklandschaft ist riesig und wunderschön angelegt. Unter einem saftigen Bambusstrauch machen wir nach unserem Picknick ein erholsames Schläfchen.

        Weiter geht unsere Fahrt zum Ausgangspunkt der Wanderung zum Goldfish-Lake. Die Strasse ist wieder sehr holperig. Zum Glück treffen wir einen Einheimischen. Wir dürfen vor seiner Farm parken, dann geht es für eine Stunde zu Fuss weiter. Wir streifen durch Gras, Feld und Wald, es geht steil bergauf, das Gestrüpp ist manchmal brusthoch. Endlich sind wir auf dem Gipfel. Wir sehen auf den recht grossen See, der wieder im Tal liegt. Das Wasser scheint undurchsichtig grün. Und da wir beide es nicht unbedingt lieben, in trübem Wasser schwimmen zu gehen, ersparen wir uns den Abstieg und den Wiederaufstieg. Es ist ein guter Entscheid, denn bis wir unsere zweite Übernachtungsstätte, das Virgin Cove, gefunden haben, ist es 17:45 geworden. 
        Ein sehr feines Candle-Light Dinner rundet den Tag ab und wir freuen uns, in ein richtiges Bett zu schlüpfen.
        Für das Frühstück unter Kokospalmen lassen wir uns Zeit. Heute steht nur noch der Rückweg auf dem Programm. In einer Galerie, in welcher Kili seine Handwerke verkauft, legen wir einen Zwischenstopp ein und kaufen eine zweite wunderschöne Holzschale.

        Es wird Zeit, Apia zu verlassen. Wir laufen aus. Es vergehen keine fünf Minuten und wir liegen inmitten heftigster Regenfälle und Windböen. Die Gewitterzelle scheint über Samuri hängen zu bleiben. Unser Genaker hält irgendwann den Winddruck nicht mehr aus. Er reisst einen guten Meter lang ein und produziert ein hässliches Geräusch. Und wie es solche Situationen so in sich haben, klemmt beim Einrollen eine Leine. Wir schaffen es schlussendlich doch und segeln mit der Genua weiter. Ziemlich durchgewaschen kommen wir in Savaii zum Ankerplatz und sehnen uns nach einem ruhigen Abend. 

        Wir liegen vor einem kleinen, einfachen Hotel. Hier essen wir ab und zu im Restaurant. Die Angestellten sind sehr freundlich und wir fühlen uns aufgenommen in ihrer grossen Familie. 
        Am Sonntag besuchen wir den Gottesdienst und sind einmal mehr überwältigt vom inbrünstigen Gesang der Bevölkerung. 

        Die zweitägige Inselrundfahrt um Savaii zeigt uns eine andere Landschaft als die Insel Upolu. Charakteristisch sind die schroffen Küstenabschnitte im Süden und die ausgedehnten Lavafelder im Norden, die zum Teil erst Anfang des 20. Jhts. entstanden sind. Zwischen 1905 und 1911 gab es einige verheerende Vulkanausbrüche. Das Dorf Saleaula im Norden der Insel wurde von den Lavamassen eines Vulkanausbruchs teilweise begraben. Nur die Aussenwände und der Giebel der grossen Kirche blieben verschont. Der Rest ist unter einer zwei Meter dicken Lavaschicht versunken. Der glühende Lavastrom teilte sich genau an der Stelle, an der eine samoanische Novizin begraben liegt und floss hinter der Grabstätte wieder zusammen. Das Grab ist heute noch auf dem Grund einer rechteckigen Vertiefung sichtbar. Die Legende um dieses wundersame Ereignis wird von den Einheimischen gerne erzählt. 

        Die zweite eindrückliche Attraktion auf dieser Insel sind die Blowholes. An einem Küstenabschnitt wird Meerwasser durch Wellenkraft durch enge Öffnungen im Korallenriff gepresst. So bilden sich bis zu 80 Meter hohe Wasserfontänen. Jeder, der sich zu nahe heran wagt, wird fast weggepustet und von der Gischt tropfnass.

        Im Dorf Palauli im Süden der Insel zeigt uns Faa'ita in ihrem privaten Haus die Herstellung von Tapa. Tapa wurde früher traditionell zur Bekleidung verwendet, aber auch als Schlafunterlage und zum Abteilen von Räumen. Heute wird Tapa als Zeremonialgeschenk zu bestimmten Anlässen wie Geburt, Hochzeit oder Todesfall überreicht. 

        Das polynesischen Wort Tapa, in Samoa Siapo genannt, bezeichnet einen Rindenbaststoff, der aus der Innenrinde des Papiermaulbeerbaumes hergestellt wird. Nach dem Ablösen der Rinde von einem dünnen Ast wird die Bastschicht gewässert. Danach wird das Wasser wieder herausgepresst. Faa'ita verwendet dazu den gezackten Rand einer Muschel, mit welcher sie in Längsrichtung der Rinde arbeitet. Schliesslich wird die Bahn mit einem Schlegel aus Eisenholz zu hauchdünnen Bahnen geklopft. Aus einer 10cm breiten Rinde kann schnell mal eine Breite von 60 cm entstehen. Dieses dünne Material wir auf dem Boden zum Trocknen ausgelegt und mit Steinen vor dem Schrumpfen bewahrt. Um ein grosses Stück Tapa zu bekommen, werden einzelne Stücke übereinander gelegt und mit dem natürlichen Leim der Tapioca zusammengeklebt. 
        Ist die Tapa trocken, wird sie mit Naturfarben von Bäumen in Gelb- und Brauntönen mit traditionellen Mustern bemalt. 
        Die Herstellung von Siapo ist also sehr aufwendig und gehört ausschliesslich zum Aufgabenbereich der Frauen. 

        Wir haben Lust auf aktive Bewegung. Den ersten Teil des Weges Richtung Krater des Mount Matavanu fahren wir auf einer holprigen Feld- und Waldstrasse. Beim Haus des Craterman halten wir an. Nach der herzlichen Begrüssung schreibt der urchige Typ unsere Namen ins Besucherbuch und verlangt für die Weiterfahrt eine Gebühr. Craterman hat die ganze Strasse von der Ebene bis zum riesigen Kraterloch eigenhändig erstellt und sorgt weiterhin für den Unterhalt. Er meint, dass wir mit unserem Vorderradantrieb problemlos weiterfahren können, doch die Steigung auf der feuchten Strasse schafft das Auto doch nicht mehr. Weiter geht es zu Fuss. Diese Anstrengung hat sich gelohnt. Und ebenfalls die Beachtung aller Warnschilder, die raten, nicht zu nahe an den Kraterrand zu stehen. Er fällt senkrecht in die Tiefe. Und die Vorstellung, dass in diesem riesigen Loch einmal glühend heisse Lava brodelte, lässt uns gerade nochmals schaudern.

        Zurück auf Samuri widmen wir uns noch ein paar Tage unseren persönlichen Dingen und bereiten uns langsam auf ein neues Land vor. Doch einen besonderen Moment mit einem Fischer möchte ich noch erzählen. 

        Es ist Abend. Wir sitzen im Cockpit und schauen uns einen Podcast an. Plötzlich hören wir aus dem Dunkeln eine Stimme. Wir schauen nach. Ein alter Fischer in einem Einbaum legt am Heck an. Er zeigt uns die Fische, die er gefangen hat. Da er kaum englisch spricht verständigen wir uns mit Gesten. Er hält uns einen Fisch entgegen. Er will ihn uns schenken. Christian bedankt sich. Der Fischer bekommt von uns auf seinen Wunsch hin ein Bier. Er hält uns einen zweiten Fisch hin, dann einen dritten. Wir schenken ihm ein Päckli Zigaretten und ein T-Shirt. Beides nimmt er lachend und dankbar an. Die Zigaretten packt er in ein Tuch, das Shirt presst er an sein Gesicht und küsst es. Der Fischer schenkt uns einen grösseren Fisch und zeigt uns mit zwei Fingern an, dass er gerne noch zwei Bier hätte. Eines geben wir ihm noch. Dann ertönt vom Ressort her Musik. Das alte Männlein schliesst seine Augen und beginnt mit dem Oberkörper und den Armen zu tanzen. Wo schweifen wohl in diesem Moment seine Gedanken hin? Auf einmal verabschiedet sich der Fischer und so wie er gekommen ist, rudert er zurück in die Dunkelheit.

        Tofa, goodbye, auf Wiedersehen bis zum nächsten Abenteuer!

        Evelyne & Christian

         

         

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          Cook Island & Niue

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          Kia orana!

          Mit diesen Worten werden die ausländischen Besucher auf den Cook-Inseln begrüsst. Und mit denselben Worten begrüssen wir dich zu einer weiteren Ausgabe unseres Blogbeitrages.

          Zuerst eine kleine geografische Einführung in die Cook-Inseln:
          Sie gehören zu den südlichen Inseln des pazifischen Ozeans. Es sind 15 Eilande mit einer Landfläche von weniger als 240 km/2, die sich in einer Wasserwüste von der Grösse Westeuropas verlieren. Sie werden unterteilt in eine nördliche und eine südliche Gruppe mit ganz viel Meer dazwischen. 
          Die sechs nördlichen Inseln sind flache Korallenatolle, nicht höher als fünf Meter. Die Hauptinsel der südlichen Gruppe ist Rarotonga. Diese Vulkaninsel ist hügelig und hat zwei Erhebungen bis zu 653m ü.M. Sie hat sehr fruchtbaren Boden, hohe Niederschläge und quillt förmlich über von Blüten und Blumen. Dem gegenüber lockt die zweitgrösste Insel, Aitutaki, mit ihrer türkisfarbenen, kristallklaren Lagune. 
          Zu den südlichen Inseln zählen noch weitere sieben Inseln, die sehr selten von Touristen besucht werden.

          Zur Geschichte: archäologischen Spuren zufolge wurde die Insel Rarotonga erst 800 n. Chr. besiedelt. Vom Jahre 1595 an erfolgten durch Europäer schrittweise die Entdeckungen weiterer Inseln. James Cook, zu dessen Ehren die gesamte Gruppe benannt wurde, sichtete zwischen 1773 und 1779 mehrere Inseln der nördlichen Gruppe, segelte jedoch an der grössten unter ihnen, an Rarotonga, vorbei. 
          Zu Beginn des 19.Jhts. kamen die ersten europäischen Händler auf die Cook-Inseln, ab 1821 begann die christliche Missionierung durch die London Missionary Society. 1888 wurde Rarotonga zum britischen Protektorat erklärt. 1901 wurden die Cook-Inseln neuseeländischer Verwaltung unterstellt. Seit August 1965 sind die Inseln ein selbstverwaltetes Territorium in freier Assoziation mit Neuseeland.  

          Von den südlich gelegenen Inseln haben Christian und ich Aitutaki besucht, von den Inseln im Norden Palmerston.

          Nach drei Tagen Überfahrt von Mopelia nach Aitutaki ist der Anblick der smaragdgrün leuchtenden Lagune eine Augenweide. Wir müssen noch die sehr schmale und sehr seichte Einfahrt richtig passieren. Dann liegen wir einmal mehr im sicheren Hafen. Das Empfangskomitee, die Miss Goodnight und die Rebelle, winkt uns herzlich willkommen. Die anwesenden Yachten sind extra zusammengerückt, so dass Samuri im winzigen Ankerfeld als viertes Schiff gerade noch Platz hat. Das Wiedersehen mit Franz, der schwangeren Svetlana, Katerina und Amanda und Xavier von der Rebelle ist überaus herzlich. 
          Am gleichen Abend noch fahren wir gemeinsam mit den gemieteten 125er Rollern zu einer Hotelanlage und lassen uns von den Bauchtänzen der Frauen und den Feuertänzen der Männer bezaubern - ein wunderschöner Empfang.

          In den folgenden zwei Wochen lernen wir Aitutaki recht gut kennen. Mit unserem Roller kurven wir in jede abgelegenste Ecke der Insel und sausen durch Wald und Feld. Verstohlen holen wir frische Mangos von den Bäumen. Christian schlägt mit der Machette Palmherzen. Oder wir entdecken einladende Cafés, die feinsten Cheesecake servieren, oder wir holpern zum höchsten Aussichtspunkt der Insel auf 124m ü.M.. Unübersehbar in den Dörfern sind die vielen leerstehenden Häuser, oft schon grün überwuchert oder bereits am Zerfallen. Immer mehr Bewohner wandern nach Neuseeland ab, weil sie dort ein besseres Einkommen finden. 

          In Aitutaki ergeben sich ein paar spannende Kontakte mit Einheimischen. Da ist zum Beispiel die ehemalige Österreicherin, die seit 30 Jahren einen biologischen Garten pflegt und ihre Früchte, die selbst gebackenen Kuchen und die feinen Konfitüren an die Umgebung verkauft. 
          Dann treffen wir Bill Tschan, ein Schweizer. Als junger Bursche ist er nach Neuseeland ausgewandert, hat da für eine Versicherungsgesellschaft gearbeitet, seine Frau aus Aitutaki kennen gelernt, vier Kinder grossgezogen und heute, als fast Siebzigjähriger, hegt und pflegt er seinen viele Hektaren grossen botanischen Garten und beliefert die Hotels mit einheimischen Früchten. 

          Mit Ingrid und Greg entwickelt sich eine herzliche Freundschaft. Auch sie erzählen uns ihre Geschichte. Ingrid hat einheimische Wurzeln, lebte aber schon für Jahre in Neuseeland, ist also auch Neuseeländerin. Greg ist Neuseeländer, lebt seit über 10 Jahren in Aitutaki. Ingrid ist Lehrerin und Rektorin der einen Primarschule auf der Insel, Greg ist pensioniert. Er macht jene Reparaturen im Haus oder frönt seinem Hobby als Schreiner. Gerade hat er ein neues Schulschild fertig gestellt, am Strassenrand die Sockel aus Beton gegossen und es professionell montiert.
          Dann kreiert er aus einheimischen Hölzern Schneidebretter oder Messerblöcke. Auf meine Bestellung hin drechselt er vier wunderschöne Essschalen. 
          Das könnte doch der neue Verkaufsschlager für Touristen werden, motiviere ich Greg. Und ich bin mir sicher, dass ich damit einen schlummernden Gedanken in ihm wecken konnte.

          Am Sonntag verbringen wir mit Ingrid und Greg einen gemütlichen Picknicktag auf der unberührten Honeymoon Island. In dieser gemeinsamen Zeit erzählen sie uns mehr über Land und Leute und ihr privates Leben auf der Insel. Was die beiden hier am meisten vermissen, ist ein gesunder Enthusiasmus der Menschen für eine Aufgabe. 
          Ingrid zum Beispiel ist eine sehr engagierte Schulleiterin. Sie hat die letzten zehn Jahre so viel Gutes und Veränderungen im Schulsystem lanciert. Alle schätzen dies sehr. Doch niemand ist bereit, ihre Stelle zu übernehmen. Und Ingrid wird die Schule im Dezember verlassen. 
          Greg erzählt uns ähnliche Beispiele. Die einheimischen Männer liessen das Holz, das der letzte Sturm gefällt hat, lieber verfaulen, als damit etwas zu tun. Das alte Kunsthandwerk der Holzschnitzerei sei immer mehr am Aussterben. 

          So sprudeln uns immer mehr Ideen über die Lippen und Christian und ich ertappen uns, wie wir mit dem Gedanken spielen, hier in Aitutaki etwas aufzuziehen. Mit ein wenig Phantasie gäbe es so viele Möglichkeiten, ein Einkommen zu generieren. Konfitüre aus den besten Früchten, verschiedene Brote oder den frischen Ziegenkäse von der Ziegenfarm liessen sich bestens an die Luxusressorts oder auch nach Neuseeland vermarkten. Und für einen kurzen Moment sind wir für diese Idee hell begeistert. Wenn da nicht der riesengrosse Pazifik wäre, so weit entfernt von der geliebten Schweiz....

          Christian und ich machen bei Ingrid Schulbesuch. Auf der Stelle verwandelt sich der Rechenunterricht in die Geografiestunde. Die Kinder orientieren sich auf der Weltkarte wo die Schweiz liegt und verfolgen mit unserer Hilfe den Weg, den wir mit Samuri bis heute zurückgelegt haben. 
          In der Pause zeigen uns ein paar Schüler den Garten mit den Schweinen und den Ziegen. Sie stellen uns die lustigsten Fragen, wie zum Beispiel: wie habt ihr euch kennen gelernt? habt ihr schon zusammen geschlafen?
          Nach der Pause werden gemeinsam die Zähne geputzt, dann geht der Unterricht weiter. Die Aufgabe ist, verschiedensten Ländern der Erde die Hauptstadt zuzuweisen. Mit einem fröhlichen Schiffslied verabschiedet uns die muntere Kinderschar. 
          Das feine Nachtessen im Pazifik Ressort in Aitutaki mit Ingrid und Greg ist für uns der Abschied von Menschen und einem schönen Fleck Erde, den wir lieb gewonnen haben.

          Schon auf der Überfahrt zum Palmerston Atoll sind wir gespannt, was uns hier erwarten wird. Dazu diese wahre Geschichte: im Jahre 1826 siedelte sich der englische Walfänger William Marsters mit drei polynesischen Frauen auf Palmerston an. Jeder Frau schenkte er einen Drittel der Insel. Aus der Beziehung mit diesen drei Frauen gab es 17 Kinder und 54 Grosskinder. Diese drei Dynastien leben noch heute auf ihrem Drittel des Eilandes.

          Das Atoll hat eine kritische Einfahrt. So liegen am Aussenriff einige Bojen, von denen uns von Bob eine zugewiesen wird. Das heisst, dass wir soeben von Bob's Familie (eine dieser drei) "adoptiert" wurden. Solange wir in Palmerston sind, wird seine Familie für uns sorgen, uns in ihrem Boot an Land holen und uns jeden Mittag in ihrem Haus bewirten. 
          Im Noonsite-Guide haben wir gelesen, dass die Inselbewohner sehr froh sind um Grundnahrungsmittel und Frischwaren. Ein Versorgungsschiff komme nur etwa alle 8 Monate vorbei. So liegen bei uns Zucker, Mehl, Reis, einige Früchte und Gemüse als Geschenke bereit.
          Christian und ich sind perplex. Was wir auf Palmerston antreffen, verwirrt uns. Da gibt es eine riesige Satellitenschüssel, in den offenen einfachen Häusern stehen Flachbildschirme, die Menschen haben Tiefkühltruhen in Reihen. Sie ernähren sich mit Reis, Fischen, Kokosnüssen, Pommes frites, Fleisch, Chips, Glacés, Guetzli und sonstigem süssen Zeugs. Am Ufer liegen nicht mehr die einfachen Holzboote mit Segeln, sondern Schiffe aus Aluminium mit Aussenbordmotoren. 
          Während die Frau von Bob abwechselnd das eigene Kind oder ihren Enkel stillt, führen uns zwei weitere Kinder durch ihren Teil der Insel. Sie zeigen uns ihren Friedhof und die allgemeine Schule, die neuzeitlich aussieht, von Neuseeland bezahlt. 
          Wir werden zum Mittagessen gerufen. Die Gäste essen zuerst, erst dann greift die Familie zu. 
          Kaffee gibt es bei einem Verwandten. Er stellt sich als Bin Laden vor, scheint ein schräger Typ zu sein. Er wollte schon vor Jahren einen Yachtclub eröffnen, doch ausser einer Ruine mit viel Gerümpel rundherum ist nicht viel zu erkennen. 
          Gegen Abend werden wir in die rollende Samuri zurückgebracht. Diese Eindrücke müssen erst mal verdaut werden. 
          Am nächsten Tag trifft das Versorgungsschiff Picton Castle ein. Alle Inselbewohner versammeln sich am Ufer und erwarten Einheimische, Gäste und natürlich viele Nahrungsmittel. Mit innigem Gesang, einer Willkommensrede des Referents und einem Dankesgebet an Gott werden alle herzlich empfangen. Rührend ist, dass auch wir offiziell begrüsst werden.
          Plötzlich wird es hektisch. Die Picton Castle soll entladen werden. Die Waren werden in kleinen Schiffen an Land gebracht. Hier nehmen die Bewohner ihre Bestellungen entgegen und transportieren sie in Schubkarren zu ihren Häusern. Lammfleischstücke aus Neuseeland zum Beispiel werden von Hand, wohlverstanden ohne Verpackung, in den Karren geladen, an der prallen Sonne zum Haus gebracht und dort direkt in die Tiefkühltruhe gekippt. Nach der Arbeit die verdiente Belohnung: Vanilleeis und Kekse.
          Natürlich ist uns bewusst, dass sich die moderne Technik immer mehr über die Welt ausbreitet. Und doch ist für uns der Anblick einer Satellitenstation auf einer kleinen Insel mitten im Pazifik noch gewöhnungsbedürftig.
          Nach drei unvergesslichen und etwas anstrengenden Tagen verabschieden wir uns reich beladen mit Müesli (Ablaufdatum 2011), Rüben, Toastbrot, Pommes frites, Fisch und Eiern von den sehr gastfreundlichen Menschen, denen es an nichts fehlt, wie sie uns versichern.

          Nach 290 Seemeilen entdecken wir brechende Wellen. Wir sichten unser Ziel, das Beveridge Reef. Es liegt mitten im Ozean, ist etwa 10 km lang und 3,5 km breit. Die Tiefe beträgt 10-15 m. Der Grund ist Sandboden, praktisch ohne Korallenstöcke. Hier schmeissen wir den Anker für die nächsten fünf Tage. 360 Grad Rundumsicht - nur tiefer Ozean, im Atoll drin die wunderschönsten Farbspiele der seichten Lagune. Bei Ebbe ist die Riffkante fast trockengelegt, bei Flut schwappen die Wellen über und füllen das Atoll mit viel Wasser. Alle sechs Stunden verwandelt sich der ruhige Ankerplatz zu einem rollenden, den wir nur so gut ertragen, weil wir wissen, dass es in sechs Stunden wieder ruhig sein wird. In der Ruhe koche ich, nähe die Flagge von Niue und in der Zeit der Flut lese oder schlafe ich.

          Nach zwei Tagen trifft die französische Yacht Tereva ein. Michelle und Philippe sind begeisterte Fischer und nehmen Christian eines Nachts bei Ebbe zum Langustenfang am Aussenriff mit. Da bleibe ich doch lieber im Trockenen, beim Essen der Krustentiere jedoch bin ich gerne wieder dabei. 
          Unglaublich beeindruckend ist hier die Klarheit des Wassers. Von Samuri aus können wir die 30 m lange Ankerkette verfolgen und sehen, wie sich der Anker im Sand vergraben hat. Auch beim Schnorcheln haben wir das Gefühl von einer noch nie erlebten Weitsicht.
          Nach fünf Tagen hat auch der Capitano genug von diesem Geschaukel und wir verlassen Beveridge mit einmaligen Eindrücken. 

          Niue ist die nächste Insel, die wir anlaufen. Es ist das zweitgrösste gehobene Korallenatoll der Welt, und beinahe die ganze Insel wird von einem Ring scharfkantiger, zerklüfteter und nahezu undurchdringlicher Kalksteinformationen umsäumt. Ausserhalb des schmalen Riffstreifens fällt die Küste senkrecht ab. 
          Niue ist ein unabhängiger Staat in freier Assoziation mit Neuseeland, welches zuständig ist für die Aussenpolitik und einen grossen finanziellen Beitrag an diesen kleinsten Staat der Welt mit seinen etwa 1600 Einwohnern leistet. 

          Im Jahre 2004, gerade 14 Jahre nach dem letzten Zyklon, fegte der Jahrhundert-Hurrikan "Heta" mit Stärke 5 genau über Niue und beschädigte etwa 90 Prozent aller Häuser. Windstärken bis zu 270 Stundenkilometern und die besondere Form des ansteigenden Küstengrundes verursachten Wellenhöhen bis zu 50 Metern, die bis zu hundert Meter weit ins Land schwappten. Nach dieser unfassbaren Katastrophe hatten viele ehemalige Einwohner von Niue die Kraft und den Mut nicht mehr, ihre Existenz erneut auf diesem Atoll aufzubauen.

          Niue hat keinen Hafen, doch es existiert hier "the biggest, little yacht club in the world". Mit 20 Dollar sind wir dabei und werden Mitglied. Der Yachtclub stellt für die Segler in der geschützten Bucht von Alofi, dem Hauptort der Insel, einige Bojen zur Verfügung.

          Wieder mieten wir ein Motorrad, um die verschiedenen Sehenswürdigkeiten erreichen zu können. Jeden Morgen rücken wir mit der Badeausrüstung und dem Mittagessen im Rucksack aus. Wir wollen möglichst nur einmal am Tag an Land gehen, denn die Anlandemöglichkeit mit dem Dinghi ist hier eine kleine Prozedur. Alle Boote, selbst die Fischerboote, müssen immer ins Trockene gebracht werden. Und das geht folgendermassen: Christian und ich fahren zur Hafenmauer. Ich steige an einer Eisentreppe an Land. Ich bediene den grossen Kran, der auch allen Seglern zur Verfügung steht, und lasse einen Haken hinunter, an welchen Christian das Dinghi anhängt. Christian springt an Land. Ich hebe das Dinghi an, wir laden es auf einen Wagen, fahren damit auf den Parkplatz und laden es ab. Beim Nachhauseweg geht all dies natürlich umgekehrt.

          Niue ist eine Insel zum Wandern. Gut für unsere eingerosteten Seebeine! Alle Wege sind liebevoll beschildert und beschrieben. Und trotzdem ist es immer wieder eine Überraschung, was für ein Bild sich uns nach mühsamem Klettern über unwegsames Gelände oder durch Dschungel eröffnet. Einmal ist es eine faszinierende, bizarre Mondlandschaft, ein anderes Mal erreichen wir eine Palmenoase mitten in Felsblöcken, oder wir landen an einer schroffen, felsigen Klippe, an welcher die wuchtigen Wellen tosend emporschiessen und uns die spritzende Gischt der brechenden Wellen berieselt.

          Die unzähligen Grotten und Höhlen, die sogenannten Chasm, erinnern uns an die Heimat. Oft eröffnen sich hier geschützte Buchten mit glasklarem Wasser zum Baden oder Schnorcheln. Gewöhnungsbedürftig sind die Wasserschlagen. Sie sind sehr giftig, was kein Grund zur Angst sein soll. Sie haben einen kleinen Mund, den sie gar nicht soweit öffnen können, um uns zu beissen, ausser wir würden unseren kleinen Finger hinstrecken.

          Nach einer vielseitigen, aktiven Woche, haben wir alle Sehendwürdigkeiten der Insel besucht. Wir nutzen den zwar stark blasenden Passatwind aus, um vor der angekündigten Flaute die nächste Etappe nach Samoa ohne Motorenhilfe segeln zu können.

          In ein paar Tagen werden neue Abenteuer auf uns warten. 
          Geniesst einen wunderschönen Sommer und seid herzlichst gegrüsst

          Evelyne und Christian

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