Törnberichte

West-Kanada

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Es gibt eine Zeit zum Reisen und es gibt eine Zeit, inne zu halten.
Es gibt eine Zeit zum Lachen und es gibt eine Zeit zum Weinen.
Es gibt eine Zeit zum Umarmen und es gibt eine Zeit, die Umarmung zu lösen.
Es gibt eine Zeit zum Schreiben und es gibt eine Zeit zum Lesen....

 

Heute ist Mein Tag zum Schreiben, vielleicht Dein Tag zum Lesen. 
Ich sitze in Schwarzenberg in der Natur. Die umliegenden Berggipfel sind von einem Hauch Schnee bedeckt, der tiefblaue Himmel gibt dazu einen kräftigen Kontrast. Die Bäume zeigen ihr herbstliches Farbenspiel. Es ist Mitte Oktober und ich spüre immer noch die Kraft der Sonne auf meinen Backen.
Seit Mitte September sind wir auf Heimaturlaub und geniessen die Zeit mit unseren Familien und Freunden sehr. 

Gerne erinnern wir uns an die 5 Wochen, in welchen wir den Westen Kanadas mit einem Van bereist haben. Lass mich dir über ein paar Höhepunkte berichten.

Mitte August treffen wir in Vancouver ein. Melanie und Michael empfangen uns freudig am Flughafen und lotsen uns mit dem Skytrain direkt zu unserem Hotel. Endlich sehen wir die Kinder ''zufällig'' wieder und können einen Tag miteinander verbringen, bevor sich die beiden nach Sprachaufenthalt und Ferien von Vancouver wieder verabschieden müssen.
So zeigen uns die privaten Reiseführer die wunderschöne, lebensfrohe und überaus saubere Grossstadt. Wir sehen die bekannte, dampfbetriebene englische Uhr in der Altstadt, bestaunen die prächtige Hafenanlage, schlendern durch viele Einkaufsstrassen, stärken uns zwischendurch mit feinstem Kaffee und kleinen Naschereien und sind beeindruckt von der Sauberkeit der Stadt. Alles hier ist so perfekt, wir werden richtig überrumpelt. Von unseren letzten Aufenthaltsorten sind wir uns anderes gewohnt. Schon lange fühlten wir uns nicht mehr so verwöhnt.
Das grosse Naherholungsgebiet am Stadtrand, den Stanley Park, entdecken wir per Velo. Im mit Seerosen und Hyazinthen bedeckten Teich wohnen Fische und Schildkröten, Libellen tanzen summend um die farbigen Blüten und unter der Brücke versteckt sich die Waschbärenfamilie. Den eindrücklichen Tag beschliessen wir mit einem leckeren Schmaus  in einem Fischrestaurant am Wasser.

Am zweiten Tag geben uns der mit Blumen übersäte Queen Elisabeth Park, der auf einer Anhöhe liegt und das Drehrestaurant des Hotels Landmark einen Eindruck über die gewaltige Fläche der Stadt. Wir bewundern einmal mehr das gelungene Stadtbild. Die Architektur, die Grünflächen und die Aussenbezirke sind zwischen dem Meer und den umliegenden Bergen harmonisch eingebettet. Vancouver erobert unser Herz.

Ab heute sind wir Vollblutcamper. Den Van in Empfang genommen und Esswaren und Getränke gebunkert, fahren wir auf den ersten Übernachtungsplatz. Da machen wir uns zuerst einmal vertraut mit unserem neuen Zuhause, richten uns gemütlich ein und kochen das erste Nachtessen. Das geht ja alles recht gut. Auch die erste Nacht im kurzen Bett schläft sich wider Erwarten ganz bequem.
Nach der warmen Freiluftdusche am nächsten Morgen fahren wir los. Unser Ziel ist Victoria, die Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia auf Vancouver Island. Die riesige Fähre kurvt zwischen vielen Inselchen durch enge Fjorde. Das Wetter ist strahlend schön, was diese Fahrt zu einem Höhepunkt werden lässt. Im altehrwürdigen Fairmont Hotel in Victoria schlemmen wir den weltbekannten Afternoon Tea nach englischer Tradition. Das Nachtessen lassen wir für heute gut sein.

Vancouver Island lädt uns zum ersten Spaziergang durch einen Douglasien- und Zedernwald ein. Die Bäume weisen einen beeindruckenden Umfang und eine riesige Höhe auf. Sie sind zwischen 400 und 600 Jahre alt. Die Energie und die Kraft dieser Baumriesen ist gewaltig, ebenso ihre Geschichte, die sie zu erzählen haben. Wie wunderbar spüren wir nach einer so langen Zeit auf dem Wasser das Element Holz. Wir können uns wieder mal so richtig erden. Unsere Lungen tanken sich mit der sauerstoffreichen Luft auf. Diese ist feucht schwer und riecht nach Moor, Moos und frischem Harz, einfach herrlich!
Wann immer wir auf unserer Reise die Gelegenheit haben, schlüpfen wir in unsere Wanderschuhe und streifen auf den überall sehr gut bezeichneten Wanderwegen durch einen winzig kleinen Teil der immens grossen Waldfläche Kanadas.

In Tofino, einem romantischen Städtchen an der Küste, hören wir auf einem Strandspaziergang zum ersten Mal die Wellen des Pazifik rauschen. Wir hoffen doch, dass uns dieses Weltmeer nächstes Jahr ebenso gut gesinnt ist wie es dieses Reisejahr der Atlantik war. Zum Meeresgott Poseidon habe ich auf jeden Fall schon mal Kontakt aufgenommen.

Ein weiteres Highlight erwartet uns hier in Tofino. In wasserfester Vollmontur besteigen wir ein Zodiac, ein motorenstarkes Schlauchboot und flitzen über die fast spiegelglatte See zum ersten Tummelplatz der Grauwale. So langsam vertreibt die immer kräftiger werdende Sonne die letzten Nebelschwaden, und schon bald entdecken wir die unglaublich grossen Meeressäuger. Wir sehen sie nicht nur, wir riechen sie auch. Denn nachdem Grauwale einige Minuten am Grund gefressen haben, kommen sie an die Wasseroberfläche zurück und stossen ihren lang angehaltenen Atem aus. Und ich versichere dir, dieser zäh in der Luft hängende Geruch entgeht keiner Nase. 
Unser Kapitän bekommt per Funk einen Hinweis und steuert unser Schiff Richtung offenes Meer. Hier sollen sich Buckelwale aufhalten. Nur etwa 150 Meter von uns entfernt schiesst plötzlich ein Riesenkoloss aus dem Wasser und platscht mit voller Kraft seitlich zurück ins tiefe Meer. Und dieses Schauspiel wiederholt sich noch zweimal. Uns bleibt nur das grosse Staunen. 

Vancouver Island erleben wir als wunderschönes Reisegebiet mit sehr freundlichen Menschen. Doch die Zeit drängt, wieder die Fähre aufs Festland zu nehmen, denn wir möchten auf unserer Reise noch mehr Gebiete von British Columbia, die Provinz Alberta, einige Nationalparks und die Rocky Mountains erkunden.
Wir teilen unsere Zeit, die wir Richtung Norden fahren so ein, dass wir täglich eine gewisse Wegstrecke zurück legen, uns aber immer auch für einige Stunden in der Natur aufhalten. Je höher wir in die Berge kommen, umso mehr konzentrieren sich unsere Wanderungen hin zu Wasserfällen. Die Natur bietet uns ein gewaltiges Schauspiel. Der eine Wasserfall hat sich in den letzten Millionen Jahren so tief ins Gestein genagt, dass das Wasser gute 100 Meter in die Tiefe stürzt. Ein anderer demonstriert seine Wucht damit, dass er Gletschermühlen hinterlässt, der nächste donnert mit voller Kraft durch einen engen Canyon und reisst die grössten Baumstämme mit. Wege und Brücken bringen den Besucher so nahe zum Gefälle, dass die Energie der tosenden Wassermassen deutlich zu spüren ist.

Die Infrastruktur in Kanada für ''fahrende'' Touristen ist hervorragend. Es gibt jede Menge staatliche oder private Campingplätze, die für $17 bis $40 einen meist grosszügigen Platz anbieten. Je nach Preisklasse erhält man frisches Wasser, Strom, Abwasseranschluss und Holz für das Grillfeuer. 
Unser Van hat den grossen Vorteil, dass er klein und wendig ist. Wenn immer möglich nutzen wir die Gelegenheit, erkunden eine offene Waldstrasse und haben doch einige Male das Glück, einen einsamen Übernachtungsplatz in einer Lichtung oder am Fluss in der Wildnis zu finden. Leider will uns nie ein Bär besuchen. Einen solchen sehen wir jedoch ganz unverhofft morgens auf einer Fahrt. Er knabbert gemütlich an den Sträuchern am Waldrand nahe der Strasse. 
Wenn immer es einen Stau gibt auf Kanadas Strassen kommt er von den Touristen, die Bären, Hirsche oder Rehe fotografieren, die auf der Wiese neben der Strasse äsen. 
In Banff zum Beispiel schwimmt ein Reh vom gegenüberliegenden Flussufer gerade auf uns zu, steigt an Land und frisst die Beeren von den Sträuchern, nur zwei Meter von uns entfernt. Die Wildtiere sind sich anscheinend an uns Menschen gewohnt. 

Wer verbindet Kanada nicht mit Lachs! Laut Reiseführer sind wir genau zur richtigen Zeit im Land, in welcher die Lachse auf ihrem Weg zur Quelle schwimmen, um an ihrem Geburtsort zu laichen und danach zu sterben. Wir besuchen einige Orte mit Stromschnellen, bei welchen man anscheinend die Lachse während ihrem Aufstieg beobachten kann. Zu unserer Enttäuschung sehen wir keinen einzigen Lachs springen. Was wir aber mit grossem Interesse beobachten sind Fischer, denen es vom Staat erlaubt wird, Lachse zum eigenen Gebrauch mit Netzen zu fangen. Es sind Menschen indianischer Abstammung, die für ein paar Tage am Fluss ihr Wohnmobil aufstellen und mit dem Lachsfang ihren Nahrungsvorrat fürs kommende Jahr aufbessern. Die frischen Fische werden sofort ausgenommen, speziell eingeschnitten, leicht gesalzen und an der Luft getrocknet. So sind sie über ein Jahr lang haltbar. Und wie fein schmeckt nicht nur dieser Leckerbissen, sondern auch der frische Lachs oder die ''Chnebeli'', die mit Ahornsirup getrocknet sind. Wir lassen es uns kulinarisch gut gehen. 

Immer wieder auf der ganzen Reise durch Kanada entdecken wir Streifenhörnchen. Diese munteren Tiere sind viel kleiner als unsere einheimischen Eichhörnchen, aber dreimal flinker. Jede Begegnung mit einem solchen Nagetier wird zum lustigsten Ereignis. Wir müssen einfach zuschauen. Die Hörnchen wirken völlig nervös. Sie können sich gar nicht langsam bewegen. Die springen von einer Position in die andere, pfeifen dabei fast wie ein Vogel, knabbern in einem Höllentempo mit ihren Nagezähnen einen frischen Tannenzapfen ab, hüpfen wieder zu einem Wurzelloch und vergraben einen Vorrat, wühlen im Boden nach alten Schätzen und schon rattern sie über viele Äste zum nächsten Leckerbissen. 
Einmal beobachten wir ein Streifenhörnchen, das einen Pilz, der auf dem Waldboden liegt und dreimal grösser ist als es selber, in ein Versteck schleppen will....
Wenn du den Film Ice Age kennst, kannst du dir eine solche Szene noch viel besser vorstellen. 

Wir befinden uns inzwischen auf ungefähr 1500 Metern Höhe am Rand der Rocky Mountains, im Gebiet der vielen, kleinen Seen. Sie zeigen die unterschiedlichsten und kräftigsten blau-grün-türkis Töne, die anscheinend dadurch entstehen, dass sich im Wasser der Gletscher Mineralien ausschwemmen. 
In der einen Nacht schneit es bis auf 2000 Meter, das Thermometer zeigt minus 4 Grad. Wie froh sind wir um die Heizung, die uns nachts im Van die nötige Wärme spendet. Zum Glück macht unser Durchlauferhitzer warmes Wasser für die morgendliche Dusche im Freien....
Die Wanderung anderntags führt uns in den Schnee. Es ist bitterkalt. Heute haben wir  Schichtenlook, das heisst, wir tragen all unsere warmen Kleider übereinander. Doch es ist herrlich. Die Bergwelt strotzt vor sich hin, die Gletscher vermitteln Geschichte, sind mit einer schneeweissen Haube bedeckt, von der Sonne beschienen, nur wenige weisse Wolken hängen im tiefblauen Hintergrund. Die ganze Grösse und Weite dieses Landes lässt uns tief durchatmen und all die Naturschönheiten aufsaugen. 

Für eine gute Woche durchfahren wir den Icefield Parkway, immer ein bisschen mehr Richtung Meer. Allmählich geht nämlich unsere Rundreise dem Ende entgegen. Die Fahrt nach Vancouver führt uns durchs sommerlich warme Okanagan Valley mit seinen üppigen Fruchtplantagen. In Kelowna besuchen wir meine Ex-Schwägerin Karin mit ihrer Familie. Sehr herzlich werden wir in ihrem wunderschönen Haus aufgenommen und zwei Tage lang nur verwöhnt. Von einem solchen Ferienabschluss hätten wir nicht zu träumen gewagt.

In viereinhalb Wochen sind wir 3700 km gefahren und sind glücklich, dass uns das Fahrzeug heil zurückgebracht hat. Mit unvergesslichen Erlebnissen und grosser Vorfreude besteigen wir in Vancouver das Flugzeug nach Hause. 

Inzwischen weilen wir schon fast 6 Wochen in der Heimat und geniessen den wunderschönen Altweibersommer. Wir haben unsere Familien und Freunde besucht und soviel Liebe erhalten. Ganz herzlichen Dank allen für die Gastfreundschaft. Am 2. November fliegen wir zurück nach Guatemala zu unserer Samuri.

Evelyne

 

Christian schreibt: 

Einmal mehr wurde mir bewusst, wie nahe Freud und Leid beieinander liegen.

Der obligate Check beim Hautarzt in der Schweiz hat ergeben, dass ich am Ohr ein Melanom habe. Der kleine, unscheinbare Aufbau, der sich seit einem halben Jahr gebildet hatte, war bösartiger schwarzer Hautkrebs.
Die Diagnose war für uns anfänglich ein grosser Schreck. Unser ganzes Unternehmen kam zeitlich ins Wanken. Es war die Rede von anstehenden Untersuchungen und Therapien, die je nach Fortschritt der Krankheit Monate dauern könnten. Der Gedanke, dass unsere Reise vorzeitig unterbrochen oder gar gestoppt würde, passte so gar nicht in mein Konzept. 
Dann verlief jedoch alles äusserst positiv und schnell, unseren Himmelshelfern und einem kompetenten Ärzteteam sei Dank! Innert Rekordzeit wurde ich operiert. Aufatmen konnten wir, als die Untersuchung der entnommenen Lymphknoten ergab, dass ich noch keine Ableger im Körper hatte. Ein paar Monate später hätte das vermutlich anders ausgesehen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich nochmals eine Chance bekommen habe und wir unsere Reise mit lediglich zwei Wochen Verzögerung fortsetzen dürfen.

Die Lehren daraus? Nichts ist unendlich. Auch ich bin verletzlich. Geniesse das Jetzt, man weiss nie was morgen ist. Sonnenschutz Faktor 50 und bessere Körperbedeckung in der prallen Sonne anwenden. 

 

In diesem Sinne freuen wir uns auf neue Erlebnisse und grüssen euch herzlich

Evelyne & Christian

    Guatemala

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    Buenos dias, amigos!

    Unsere geplante Reise ins Hochland von Guatemala kam ganz bedenklich ins Wanken, nachdem wir die Reisebestimmungen des EDA (eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten) durchgelesen haben. Darin wird vor Reisen in Touristenbussen, vor Überfällen auf offener Strasse und sogar Kidnapping gewarnt. Doch das lange und klärende Gespräch mit dem Ehepaar, das die Tortugal Marina führt und über viel Reiseerfahrung in Guatemala verfügt, liess uns unsere Pläne wieder aufnehmen.

    Am Dienstagmorgen, den 19. Juli, besteigen wir in Rio Dulce den öffentlichen Bus nach Guatemala-City. Die recht angenehme Fahrt gibt uns einen ersten Eindruck über die Landschaft. Alles ist so saftig grün und üppig überwachsen. Die Dörfer wirken durch die emsigen Leute lebendig, auch Hunde und Hühner leben auf der Strasse. Der Bus schlängelt sich über mehrere kleine Pässe, zum Teil durch enge Täler, und gewinnt immer mehr an Höhe. Seit langer Zeit müssen sich unsere Ohren wieder einmal einem neuen Höhendruck anpassen.
    Nach fünf Stunden erreichen wir Guatemala-City und lassen uns mit dem Taxi in die Zone 9 führen, in welcher unser Hotel liegt. Der grosszügige Eingang und die riesige Hotelhalle bringen uns zum Staunen. Wie viele Monate haben wir uns nicht mehr in der uns gewohnten Zivilisation aufgehalten und fast vergessen, wie schön und sauber alles sein kann. Ich komme mir gerade etwas „underdressed“ vor.

    Guatemala-City ist die grösste Stadt in Zentralamerika und hat etwa 3 Millionen Einwohner. Sie liegt auf einem Plateau auf 1‘468 m über Meer und ist allseitig umgeben von Bergen und Vulkanen. Sie ist eingeteilt in 21 „Zonas“. Den Touristen wird empfohlen, sich nur in einigen wenigen Zonen aufzuhalten und sich nachts nur mit dem Taxi zu bewegen. Gerne halten wir uns an diese Bestimmungen. Tagsüber aber fühlen wir uns absolut sicher.
    Guatemala-City wird in den Führern mit seinen historischen Gebäuden und hervorragenden Museen als lohnenswert bezeichnet. Da unsere Hauptinteressen nicht unbedingt in der Kunst liegen, können wir dieser Grossstadt gar nicht so viel Positives abgewinnen. Wir erleben die durch hunderte von Russ speienden Bussen und unzähligen Autos verursachte hohe Luftverschmutzung als sehr unangenehm. Auch diese Stadt steht wie viele Metropolen der Welt vor schier unlösbaren Problemen: Verkehrschaos, ineffiziente Verwaltung, stetig zunehmende Raubüberfälle und Morde, korrupte Polizei, schnell wachsende Slums in den Randbezirken und krasse soziale Unterschiede. Im verwahrlosten Zentrum fehlen Investitionen und infrastrukturelle Verbesserungen. Trotz einiger sehenswerten Gebäuden wird es noch lange dauern, bis „Guate“ eine liebenswerte Stadt sein wird.

    Wir nutzen die folgenden zwei Tage, um Einkäufe zu tätigen, die in den vorher bereisten Ländern unmöglich waren. Wir kaufen uns zum Beispiel richtige „Tramper-Rucksäcke“. Ja, jetzt gehören wir auch dazu! Ich wage es sogar, mir in einem Coiffeursalon die Haare schneiden zu lassen. Die sind nämlich definitiv zu lang und geben viel zu heiss. Ich bin froh, ich gefalle Christian immer noch.

    Voll bepackt und wunderbar gesättigt durch das reichhaltige Frühstücksbuffet steigen wir am Morgen des 21. Juli in einen Touristenbus nach Panajachel. Es geht für vier Stunden bergauf und bergab. Stellenweise sind die Strassen in sehr gutem Zustand, dann kommt eine Passage, auf welcher die Chauffeure riesigen Löchern ausweichen müssen, manchmal bis auf die gegenüberliegende Fahrbahn. Doch der Verkehr läuft keineswegs hektisch ab. Jeder nimmt Rücksicht auf den anderen. Nur die farbigen Linienbusse, die sogenannten „Chicken Buses“, jagen einem einen Schrecken ein, wenn sie in höllischem Tempo überholen, im besten Fall sogar in den Kurven.

    Das letzte Stück unserer Fahrt führt uns steil den Berg hinunter zum Lake Atitlan. In den folgenden Tagen werden wir ein paar Städtchen rund um diesen See besuchen. Wegen der steil abfallenden Küsten sind einige nur über den Seeweg zu erreichen. So steigen wir in Panajachel in ein Transportschiffchen, in eine sogenannte Lancha. Die abenteuerliche Wellenfahrt endet in San Marcos an einem wackeligen Holzsteg. Da stehen mindestens zehn Jungs bereit und streiten sich buchstäblich darum, wer unsere Rucksäcke zu unserem Hotel schleppen darf. Natürlich machen sie das nicht gratis. Und Neuankömmlinge wie wir, die sich im Voraus nicht um die einheimischen Tarife kümmern, überzahlen die Träger masslos. Aber was soll‘s.
    Unser Hotel klebt an einem üppig bewachsenen Steilhang. Es ist unglaublich, dass sich Leute wagen, an diese Felswände Häuschen zu hängen. Ein Felsbrocken ragt sogar in unser Zimmer. Nachtessen gibt es in einem Restaurant am See. Wie schon lange nicht mehr, ziehen wir uns lange Hosen und eine Jacke über. Es ist merklich kühler im Hochland.

    Das nächste Dorf erreichen wir wieder mit einer Lancha. San Pedro zeigt einen ganz anderen Charakter als San Marcos. Es ist voll von einladenden Cafés mit eigener Kaffeerösterei und übersät von gemütlichen Restaurants mit Seeblick. Nicht zu vergessen sind natürlich die bunten Handwerksläden, die die typisch guatemaltekisch bestickten Blusen, bunten Taschen, Decken und diverse andere Souvenirs anbieten. Es wimmelt hier von Feriengästen. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass hier Überfälle oder Verbrechen auf Touristen geschehen können. Alle Leute sind so freundlich und strahlen eine positive Lebenseinstellung aus.

    Am fünften Reisetag machen wir einen Zwischenstopp in Santiago. Schon beim Landeplatz der Lancha werden wir von Frauen überrumpelt, die uns ihre Waren verkaufen wollen. Tücher und Decken tragen sie auf Armen und Schultern, Kleinwaren transportieren sie in einem schweren Korb auf dem Kopf. Es wird uns oft zuviel und ist dann störend, wenn wir in einem Restaurant am Essen sind.
    Der Platz wimmelt auch von Tuktuk-Fahrern, die Gäste zu ihren Hotels fahren möchten. Für eine Stunde mieten wir einen Fahrer und rattern mit dem motorisierten Dreirad auf den Pflastersteinstrassen rund um Santiago zu seinen sehenswerten Orten. Danach führt uns eine Lancha zurück nach Panajachel. Da sich Christian recht stark erkältet hat und seine Atemwege zu sind, mieten wir im Hotel am Abend für eine Stunde den Whirlpool. Der aromatische Eukalyptusduft und der heisse Tee geben Christians Nase und Nebenhöhlen etwas Erleichterung.

    Sechster Reisetag. Wir sitzen im Shuttlebus zum grössten Handwerkermarkt in Guatemala, nach Chichicastenango. Wir kommen mit Marilyn und Jennifer ins Gespräch. Es sind Mutter und Tochter aus Dallas, die schon zum vierten Mal hierher kommen. Gerne profitieren wir von ihren Erfahrungen und lassen uns von den beiden Frauen direkt ins bunte Marktgeschehen führen.
    Dieser Markt ist grundsätzlich nicht für uns Touristen gedacht. Es ist ein Handelsmarkt für die Maya. Sie kommen zweimal pro Woche aus den Bergen und bieten ihre Handwerksarbeiten zum Verkauf an, die sie oder die Familiensippe selber hergestellt haben oder sie decken sich mit Lebensmitteln ein. So bewegen wir uns für die nächsten vier Stunden mitten im lauten Treiben der kleinen emsigen Guatemalteken. Natürlich feilschen wir auch und erwerben ein paar Erinnerungsstücke der guatemaltekischen Kunst.
    Die wenigen Touristen verschwinden im Rummel der Einheimischen. Christian und ich haben kein Problem, dass wir einander in diesem Getümmel verlieren könnten. Die Maya sind ein so kleingewachsenes Volk, dass sogar ich über die meisten Leute hinweg blicken kann. Das eindrücklichste Erlebnis erhaschen wir vor der Kirche. Es ist ein organisiertes Durcheinander: betende Männer, brennende Kerzen, dampfender Weihrauch, sitzende Frauen, spielende Kinder, hunderte von farbigen Blumen, Waren zum Verkauf... Christian und ich halten einfach mal einen Moment lang inne und nehmen dieses Bild mit all unseren Sinnen wahr.

    Die Stadt Antigua ist unser heutiges Ziel. Sie liegt zwischen dem Lake Atitlan und Guatemala. Die Busfahrt führt uns sicher zu unserem Hotel, das in einer sehr schönen Gartenanlage liegt. Im Zimmer haben wir sogar ein Cheminée und wir fühlen uns am Abend im Bett vor dem brennenden Feuer und in die Glotze starrend fast wie zuhause in der kalten Schweiz.

    Heute morgen packen wir Rucksack und Wanderschuhe. Nach einer guten Stunde Fahrt erreichen wir den Ausgangspunkt des Vulkans Pacaya. Mit unserem Führer Roni besteigen wir den Vulkan bis zur erlaubten Höhe. Anfänglich wandern wir durch den Wald, der sich aber immer mehr lichtet. Das letzte Stück gehen wir auf der kargen, dunkelgrauen, harten Lawa weiter. Roni erzählt uns, wie er den letzten Ausbruch des Pacaya im Mai 2010 erlebt und dabei all sein Hab und Gut verloren hat.

    Den Charme der Stadt Antigua erkennen wir erst am nächsten Tag bei einer Stadttour mit Elisabeth Bell. Die Amerikanerin wohnt seit bald dreissig Jahren hier und gibt uns während ihrer spannenden Führung sehr viele Informationen über die Geschichte, die Politik und über die Lebensweise der Leute von Antigua.

    Zehn Reisetage sind im Nu verstrichen und schon sitzen wir wieder im Bus nach Rio Dulce. Etwa 40 km vor unserem Ziel liegt der Verkehr lahm. Hunderte von Lastwagen stehen dicht hintereinander vor uns. Der Buschauffeur tastet sich ganz langsam auf der Überholspur vorwärts und zieht an den stehenden Camions vorbei. Dabei sehen wir etwas für uns ganz Fremdes. Die Lastwagenchauffeure haben es sich unter ihren Fahrzeugen im Schatten gemütlich gemacht. Einige haben sogar die Hängematte gespannt, andere picknicken mit Frau und Kindern am Boden. Niemand ist nervös oder ungeduldig.
    Plötzlich stoppt auch unser Bus, eine Weiterfahrt ist unmöglich. Wir werden informiert, dass die Lehrer höhere Löhne fordern und deswegen die Strasse gesperrt halten. Voraussichtlich werde es noch lange dauern, bis der Streik beendet sei. So winken wir dem nächsten Tuktuk, steigen um und schlängeln uns damit auf engstem Raum zwischen Lastwagen, Autos und Menschenmengen durch bis zum Punkt, an welchem auch dieses kleine Fahrzeug kapitulieren muss. Zu Fuss überqueren wir die Strassensperre und schon wartet ein Bus auf uns. Heute verdienen die Chauffeure gut. Des einen Freud, des anderen Leid. Masslos überfüllt und in einem Höllentempo saust der halbe Schrottwagen in der brütenden Hitze nach Rio Dulce. Wir kommen am Ende unserer Reise doch noch in den Genuss, die Atmosphäre eines „Chickenbus“ zu erleben.
    Wie geniessen wir das erfrischende Bad im See in der Marina Tortugal!

    Innerhalb der letzten Monate haben Handwerker in der Marina ein neues Haus zum Übernachten für Backpackers aufgebaut. Dieses wird heute mit einem Fest eingeweiht. Schon am Mittag spielt Musik auf und es wird den Gästen feines Essen serviert. Am Abend findet dann der Höhepunkt statt. Ein Mayapriester führt eine lange Zeremonie nach dem Kult des Maximon durch, um das Haus vor Feuer, fremden Geistern und schlechten Energien zu schützen. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir an diesem spirituellen Ritual teilhaben dürfen. Schmunzeln muss ich ein bisschen über die Bekleidung des Priesters. Ich habe mir in meiner Vorstellung ausgemalt, er werde in einem feierlichen Gewand erscheinen. Er hingegen zelebriert in normalen Jeans und einem T-Shirt von Hollister.

    Wir sind nur ein paar Tage in der Marina und schon machen wir uns wieder auf die Reise. Wenn wir schon in Guatemala sind, wollen wir uns den grössten Mayatempel nicht entgehen lassen. So bringt uns die vierstündige Busfahrt diesmal Richtung Norden nach El Remate, wo wir übernachten.
    Schon morgens um 6 Uhr stehen wir am Tor von Tikal und zählen zu den ersten Besuchern dieser riesigen Tempelanlage, die sich über 15 km/2 erstreckt. Es ist unmöglich, jede einzelne Ausgrabung zu erkunden. So führt uns unser Guide Samuel gezielt zu den wichtigsten Tempeln und erklärt uns dazu den geschichtlichen Hintergrund. Wir sind überaus beeindruckt von der Baukunst und dem astronomischen Wissen dieses Urvolkes. Am frühen Nachmittag ist unsere Aufnahmekapazität erreicht und wir fühlen uns schlapp. Es ist erdrückend schwül. Da hilft nur noch ein „Powernap“ in der Hängematte im Schatten.

    Am dritten Tag unserer Kurzreise unternehmen wir eine 6 km lange Wanderung auf einem Pfad durch den Urwald. Wir hören munteres Vogelgezwitscher in allen Tonlagen, leider aber entdecken wir den Quetzal mit seinem schillernd grün-goldenen Federkleid nicht. Dies wäre der Nationalvogel von Guatemala. Doch wegen seinen begehrten Schwanzfedern wurde er beinahe ausgerottet und ist heutzutage leider selten zu sehen. Umso mehr erfreuen wir uns an den drolligen und kreischenden Affenfamilien, den Spider Monkeys, die sich in den hohen Baumwipfeln von Ast zu Ast schwingen. Die schwarzen und stattlichen Brüllaffen veranstalten einen unglaublichen Lärm, der Löwengebrüll ähnelt. Zu den eher unerwünschten Tierchen zählen die Moskitos. Zum Glück haben wir uns von Kopf bis Fuss gut mit Mückenmittel eingerieben.
    Am Nachmittag dann reisen wir zurück nach Rio Dulce.

    Wir sind überglücklich, dass wir „Guatemala, das Land mit den vielen Bäumen“, so problemlos bereisen durften. Wir fühlten uns in den Bussen, den Dörfern und während allen Führungen sicher und kamen nie in eine zweifelhafte Situation.

    In den verbleibenden vier Tagen in der Marina arbeiten wir wie fleissige Bienchen. Samuri muss gut vorbereitet sein auf ihre Ferien. Wir packen alles zusammen und fliegen am Mittwoch, den 11. August nach Vancouver.

    Während du diesen Blog liest, sind wir irgendwo mit einem gemieteten Van in Westkanada am Umherreisen. Hier treffen wir auf eine uns nicht fremde, aber gegenüber der Karibik wiederum völlig andere Kultur, Flora und Fauna. Ja, und danach gibt es endlich den lang ersehnten Heimaturlaub.

    Geniesst den verbleibenden Sommer und seid herzlich gegrüsst

    Evelyne & Christian

      Belize & Rio Dulce

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      Samuri liegt in der Tortugal Marina im Rio Dulce in Guatemala.
      Ich sitze im Cockpit und schreibe an diesem Blog, der frisch vor dir liegt, über Belize und die Segeletappe in Guatemala. Die Sonne glüht vom Himmel, das Thermometer zeigt im Schatten 35 Grad. Kein Lüftchen weht. Obwohl ich beim Schreiben nur meine Finger bewege, schwitze ich wie sonst nur in der Sauna.

      Bevor wir hierher gekommen sind, segelten wir für knappe fünf Wochen in Belize an der Küste und durch das davor liegende Barrier Reef. Wir haben uns entschieden, hier keine Landreise zu machen, sondern einen kleinen Teil dieser langen Kette hunderter winziger Inseln und mehrerer Atolle durch Segeln und Schnorcheln zu erkunden.

      Gerne stelle ich dir Belize, das zwischen Mexiko und Guatemala liegt, mit ein paar Informationen etwas näher vor.

      Belize ist ein Land mit einer grossen Fläche weitgehend unberührter Landschaften und mit einer geringen Bevölkerungszahl. Die schwülen, nahezu undurchdringlichen tropischen Regenwälder beherbergen eine unglaubliche Tiervielfalt, zum Beispiel hunderte verschiedener Vogelarten, selten gewordene Klein-und Grosskatzen wie Ozelot und Jaguar, urtümliche Reptilien und faszinierende Insekten.
      Die Wälder sind auch der Lebensraum tausender während oder nach der Regenzeit blühender Pflanzen, einschliesslich mehr als 70 verschiedener Orchideenarten und annähernd 700 einheimischer Baumarten, beispielsweise Mahagoni und Zapote.
      Belize weist eine bis heute weitgehend intakte Umwelt aus, was der geringen Bevölkerungszahl zuzuschreiben ist. Auf 22‘965 km/2 leben ungefähr 280‘000 Menschen. So konzentriert sich die kulturelle und sprachliche Vielfalt auf engsten Raum. Die Hauptgruppen sind 44% Ladinos und 30% Kreolen, daneben bilden Maya, Garifuna, Ostasiaten und Weisse bedeutende Minderheiten. Viele tausend Flüchtlinge der Bürgerkriege, überwiegend aus El Salvador und Guatemala, siedelten sich seit den frühen 1980er Jahren an. Sie veränderten die sprachliche Situation des Landes dahingehend, dass nun die Mehrheit der Bevölkerung eher Spanisch statt Englisch spricht. Das Auskommen finden sie als Bauern und vor allem als Saisonarbeiter auf den Zitrus- und Bananenplantagen.
      Die etwa 22‘000 Maya sind in kleinen isolierten Gemeinden über ganz Belize verstreut. Im Norden siedeln die indianisch-weissen Mischlinge, die Mopan bewohnen die zentralen Landesteile, während die Kekchi vornehmlich im gebirgigen Süden ansässig sind. Alle drei Gruppen leben überwiegend von der Landwirtschaft.
      So basiert die Wirtschaft von Belize neben dem Tourismus hauptsächlich auf dem Export von landwirtschaftlichen Produkten, wie Zucker, Bananen und Zitrusfrüchte.

      So wie es bei Fahrtenseglern üblich ist, wird im Hafen beim Apéro immer rege ausgetauscht. Jeder erzählt seine positiven und negativen Erlebnisse eines Segeltripps, berichtet über seine Eindrücke über ein Land, dessen Bewohner, über die Routen, Ankerplätze, Sehenswürdigkeiten in Dörfchen usw. Einige Amerikaner vermitteln uns klar, dass sie Belize gar nicht anlaufen werden. Sie haben so viel Schlechtes gehört. Das zieht sich über die Unfreundlichkeit der Belizianer hin bis zu den enorm hohen Gebühren, die sie beim Einklarieren und auch an den Ankerplätzen der Naturreservate bezahlen müssen.

      Nichts desto trotz bleiben wir unserem Plan treu und laufen am 28. Mai in San Pedro, Belize ein. Und schon werden wir gerade mal positiv überrascht. Obwohl es Samstag ist, fliegt der Officer der Einklarierungsstelle extra für uns innerhalb einer Stunde von Belize City mit dem Flugzeug ein, um uns in seinem Land willkommen zu heissen. Ja, wenn das kein guter Start ist!
      Das Dörfchen San Pedro hat grundsätzlich wenig zu bieten. Nach einem kurzen Spaziergang durch die beiden Hauptgassen setzen wir mit dem Dinghi wieder zurück zu Samuri.

      Das nächste Dörfchen und Insel Cay Caulker, wegen seinen vielen, relativ günstigen Unterkünften als Backpacker-Insel bekannt, zeigt dann doch ein bisschen mehr karibischen Charme. Die Holzhäuschen sind mit den verschiedensten Pastelltönen bemalt. Die kleinen Cafés oder Restaurant laden an bunten Tischen zum Verweilen ein. In der Hochsaison sind die Gassen bestimmt überfüllt von Touristen. Heute zählen wir fast zu den einzigen. Die Hurrikanzeit ist angebrochen, die Regenzeit wird bald beginnen und die meisten Segler haben ihr Schiff wahrscheinlich schon in einen sicheren Hafen gebracht.

      Belize City, Cucumber Marina. Auch hier werden wir freundlich empfangen. Und es läuft ab wie immer: Samuri entsalzen, waschen, putzen - das kennst du ja inzwischen.
      Wir lernen Andrea und Tom kennen. Es ist ein junges Pärchen aus der Schweiz, das mit seinem Camper seit 2 Monaten unterwegs ist und vor hat, Südamerika zu bereisen.
      Eine andere Bekanntschaft machen wir mit einem Mitarbeiter der Werft, auch ein Schweizer. Beat wohnt schon seit 6 Jahren in Belize City. Eigentlich ungewollt, denn er war ursprünglich mit seiner Frau mit dem eigenen Segelschiff auf grosser Fahrt. Leider hatten die beiden Pech, denn sie liefen vor San Pedro auf ein Riff auf und die Yacht erlitt Totalschaden. So hielt sich das Ehepaar ans gegenseitige Versprechen und versucht seit dieser Zeit, am Ort des Geschehens Fuss zu fassen und seine Yacht von Grund auf wieder instant zu stellen. Beat erzählt uns bei einem Besuch in seinem einfachen Zuhause diese ganze Geschichte im Detail, die uns sehr berührt. Traurig berichtet er auch über den erst kürzlich ereigneten Tod seiner Frau.
      Sehr interessant hingegen sind die vielen Hintergrundinformationen, die uns Beat über Belize erzählt. Das Land scheint ja wirklich äusserst korrupt zu sein. Das Wichtigste für einen neuen Staatschef sei, in möglichst kurzer Zeit zu möglichst viel Geld zu kommen. Ob das auf Kosten der Bewohner geht oder mit überwachtem Handel mit Rauschgift scheint an zweiter Stelle zu stehen.
      Beat warnt uns auch vor der Stadt. Im Moment sollen die Halbwüchsigen ihren Spass daran haben, sich gegenseitig umzubringen. So empfiehlt er uns seinen Freund Baptist als Chauffeur, um uns zum Markt und zum Einkaufsladen für die Lebensmittel zu bringen.
      Gerne gehen wir auf dieses Angebot ein und engagieren Baptist, denn unsere Vorratskammer braucht dringend Nachschub.

      Belize ist eine absolut schmutzige, wirre Stadt mit baufälligen Häusern und kahlen Strassen. Wir sehen auf dem Weg zum Markt kein einziges Gebäude, das uns sehenswert erscheint. Gerade macht uns Baptist auf einen Jungen aufmerksam, der aus einem Camion mit offener Hecktüre eine Kiste Cola klaut...

      Samuri ist bereit für unsere neuen Mitsegler Sabrina und Sam aus North Carolina. Bei ihrer Ankunft hat Christian fast ein bisschen Weihnachten. Unsere Freunde waren nämlich so lieb und schleppten einige Taschen an, vollbepackt mit vielen Ersatzteilen, Zusatzausrüstung, Fahrtenbüchern und und und. Christian wusste gar nicht mehr, was er die letzten Monate hindurch so alles bestellt hat und so öffnet er jedes Paket mit grösster Spannung.
      Die erste Schiffs-Angewöhnungsnacht der neuen Gäste verbringen wir im Hafen. Am Morgen findet die obligate Sicherheitseinführung mit dem Kapitän statt. Danach laufen wir zum ersten kurzen Schlag aus. Das Wetter ist strahlend schön und Wind und Wellen zeigen sich von der angenehmen Seite. Sabrina und Sam geniessen die Fahrt und scheinen absolut seetauglich zu sein. Wir besiegeln unseren ersten gemeinsamen Tag auf See mit einem Sundowner und verwöhnen uns mit Lobster vom Grill.

      In Tabacco Cay erleben wir unser absolutes Schnorchel-Highlight. Da es windstill ist, wagen wir es, mit dem Dinghi ans Aussenriff zu fahren. Das Wasser ist türkisfarben und hat eine Temperatur von 30 Grad. Die Sicht ist sensationell und die Unterwasserwelt überrascht uns mit felsigen Canyons. Wir schwimmen über sehr viele, riesige Gehirnkorallen, hoch und breit gewachsene Geweihkorallen und die farbigsten Weichkorallen. Die Fischvielfalt ist überwältigend und ab und zu interessiert sich ein Barracuda von mindestens einem Meter Länge für uns. Wer hat wohl mehr Respekt vor dem anderen?
      Fürs Abendessen auf der Insel dürfen wir uns an den grossen Tisch setzen, an welchem auch die Gäste des einfachen Ressorts bedient werden. Die Welt ist klein. Diesmal treffen wir auf Cindy aus Adligenswil. Sie ist mit ihrem englisch sprechenden Mann auf Hochzeitsreise.

      Die Wetterlage beginnt, sich ein wenig zu ändern. Ab und zu sehen wir in der Ferne grelles Wetterleuchten oder der Himmel ergiesst sich mit einem Regenspritzer. Für uns ist dies die beste Gelegenheit, Wasser zu sammeln, um damit unseren ständigen Durst zu löschen. Auch wenn der Himmel bewölkt ist, sind die Temperaturen hoch und halten unser Ausdünstungssystem auf Trab.

      Mit Sabrina und Sam erleben wir eine erholsame, lustige und bereichernde Zeit, die nach 9 Tagen leider schon wieder zu Ende geht. Die beiden fliegen von Belize City wieder zurück in die Staaten.

      Christian und ich entdecken in den kommenden zwei Wochen noch einige andere Gebiete des Barrier Reef. Inseln, die im Führer als absolutes „Must“ beschrieben sind, entpuppen sich in Wirklichkeit für uns als nicht unbedingt lohnenswert. Die Rendez-vous Cay zum Beispiel wird komplett mit einem luxeriösen Ferienressort überbaut. Wir bekommen von einem Arbeiter eine Führung und dürfen ein fast fertiges Haus anschauen.

      Was überall sichtbar ist, sind die Spuren, die der letzte grosse Hurrikan hinterlassen hat. So viele der riesigen Palmen sind geköpft und stimmen einen beim Anblick wehmütig. Dieser Sturm muss hier mit einer unglaublichen Kraft getobt haben.
      Der Squall, den wir an einem der folgenden Tage erleben, bringt uns nur 42 Knoten Wind. Doch es reicht, um unseren Anker in dem schlechten Grund ins Rutschen zu bringen. Gerade als das Nachtessen bereit ist, geht es los. Christian startet die Motoren, gibt dem Anker mit Schub etwas Entlastung und hält Samuri im Wind. Wegen Regen und Wind ist die Sicht ganz schlecht. So sind wir froh, dass wir durch das Licht auf der kleinen Insel eine Referenz haben und uns orientieren können. Nach einer Stunde ist alles vorbei und wir setzen uns gemütlich an den Abendtisch.

      Für den angekündigten kleinen Sturm, der 50 Knoten bringen soll, entscheiden wir uns, in die gut geschützte Ankerbucht von Placencia zu fahren. So wie wir hier den Anker einfahren, kann uns nichts mehr geschehen. Und es geschah auch nicht viel, denn von der vermeintlichen Wetterfront spüren wir kaum etwas.
      Placencia ist ein herrlicher Ort zum Wohlfühlen. Die Leute sind vertrauenswürdig und freundlich, das Dorf ist sauber und die Häuser und Gärten scheinen gepflegter als in anderen Dörfern. Wer je hier vorbeigekommen ist, kennt sie. Ich spreche von Tutti Frutti, der Eisdiele mit dem besten Eis des Golf von Mexiko, die von einem Ehepaar aus Venedig geführt wird. So „müssen“ wir in Placencia fast täglich an Land, nicht nur, um die Internetverbindung zum Skypen und Surfen zu benutzen oder Lebensmittel einzukaufen.....

      Ausklarieren in Punta Gorda: So gut wie alles begonnen hat, so teuer endet es zu guter Letzt. Nicht nur Personen, sondern auch Schiffe müssen in einem Land speziell angemeldet, sprich mit einem bestimmten Betrag, einklariert werden. Da dies der Zollbeamte in San Pedro vergessen hat, müssen wir dies natürlich nachholen. Wir können von Glück reden, meint der Officer hier, dass wir an ihn gelangten. Wären wir an einen Zollbeamten gestossen, hätte es sein können, dass Belize Samuri beschlagnahmt hätte und wir eine saftige Busse eingefangen hätten. Natürlich haben wir ihm unsere Unschuld klar gelegt, doch das kümmerte ihn nur beschränkt. Ganz klar ist er sich aber der schlechten Kommunikation der Zollbehörden untereinander bewusst. Ende gut - alles gut.

      Von Belize bis Guatemala segeln wir gerade mal 12 Seemeilen. Doch die Welt scheint hier wie verändert. Es bietet sich uns eine ganz neue Kulisse. Am Horizont erheben sich hohe Berge, die Ufer sind gesäumt von sattgrünen Bäumen.
      Wir laufen in Livingston ein. Für all den administrativen Aufwand zum Einklarieren konnten wir schon im Voraus per Mail alle Unterlagen schicken, die von einem Agenten vorbereitet wurden. Nach zwei Stunden holen wir die gelbe Flagge herunter. Auf die kommende Flussfahrt freuen wir uns sehr, denn von allen Seiten hörten wir darüber nur in Superlativen sprechen. So tauchen wir voller Spannung in den Rio Dulce ein.
      Die weite Einfahrt verengt sich mehr und mehr. Der Taleinschnitt auf beiden Seiten scheint immer höher zu werden. Die riesigen Bäume und Urwaldpflanzen bewachsen diese Steilwände bis zur Wasseroberfläche. Wo wir hinschauen sehen wir nur Urwald.
      Ab und zu kreuzen wir auf dem Fluss Touristen in einer Launcha, einem hölzernen Ausflugsboot. Zum ersten Mal begegnen wir einheimischen Maya in ihren selbst gebauten Einbäumen, die sie zum Fischen und als Fortbewegungsmittel gebrauchen. Das Dorf Livingston ist nämlich nur durch den Seeweg erschlossen. Es gibt keine Strasse, die dahin führt.

      In einer Bucht des Lake Izabal geniessen wir für zwei Tage die absolute Ruhe, entdecken mit dem Dinghi kleine Flüsschen und hören den für uns neuen Geräuschen des Waldes zu. Die Natur riecht hier nach Fülle und Sattheit und die Vögel singen andere Lieder.

      Am dritten Morgen holen wir für lange Zeit zum letzten Mal den Anker auf und fahren das letzte Stück bis zur Marina Tortugal. Wir sind das zweitletzte Boot, das seine Leinen festmacht. Frank und Gisela führen uns durch die ganze Hafenanlage und laden uns am Abend ganz spontan zum Nudelauflauf ein. Wir lernen die drei Männer kennen, die als letzte noch auf ihrem Schiff wohnen. All die anderen Segler sind schon in den Heimaturlaub oder in andere Destinationen geflogen.

      Im Dörfchen Rio Dulce herrscht ein wahres Durcheinander und Hektik pur. Alles spielt sich auf der einen Durchfahrtsstrasse ab. Hier reihen sich Allerweltsläden an Früchte- und Gemüsehändler, dazwischen duftet es herrlich von gebratenen Hühnerstücken, etwas versteckt schneidet der Metzger mit der Kreissäge Fleischstücke zu, das Angebot des nächsten Standes reicht von Eiern über Plastiktöpfe, über BH‘s bis zum Motorenöl, eine alte Frau hält unter dem schattenspendenden Regenschirm ein paar welke Kräuter feil, ein Junge putzt die Cowbowstiefel des Geschäftsmannes, eine Maya bietet die selbstgefertigten Handarbeiten an, eine spindeldürre Katze sucht im Abfalleimer nach etwas Essbarem, vor der Bank steht Polizeischutz und der Lastwagen, der den Supermercado beliefert, wird von einem Mann überwacht, bewaffnet mit dem Maschinengewehr. Als Fussgänger ist höchste Aufmerksamkeit geboten, denn auch der ganze Verkehr vom Töffli über den Tiertransport bis hin zum riesigen Sattelschlepper rollt durch diese enge und zeitweise komplett verstopfte Strasse.
      Nach einer einstündigen Einkaufstour bei brütender Hitze ist es eine Wohltat, in die Marina zurückzukehren und sich bei einem erfrischenden Bade zu erholen.
      Unsere Tage sind von morgens bis abends ausgefüllt. Wir erledigen eines nach dem anderen, um Samuri auf die Auszeit hier in der Marina vorzubereiten. Das Tempo ist der Hitze und der fast 100%-igen Luftfeuchtigkeit angepasst. Schneller geht es einfach nicht.

      Ob die Hitze etwas erträglicher wird in den Bergen? Das testen wir auf unserer kommenden zehntägigen Landreise durch Guatemala aus. Davon werden wir dir im nächsten Blog berichten.

      Wir wünschen dir einen prächtigen Sommer, freuen uns wie immer auf Reaktionen und grüssen dich herzlich

      Evelyne & Christian

        Mexico

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        Es ist Dienstagmorgen, 26. April. Wir liegen in El Morro vor Anker. Christian fährt mit dem Dinghi nochmals an Land, um die letzten Formalitäten zum Ausklarieren in Kuba zu erledigen. Ich bereite ein paar einfache Mahlzeiten vor, die wir während der bevorstehenden Fahrt aufwärmen können. Um halb zehn Uhr sind wir soweit, Anker auf, adiòs Kuba!

        Vor uns liegen 117 Seemeilen. Da wir mit dem Kurs Richtung Mexiko gegen Wellen und Strom ankämpfen müssen, sind wir dankbar, dass der Wind mit guten 20 Knoten bläst. Wir machen im Durchschnitt 7 Knoten Fahrt. Doch angenehm ist die Reise nicht, wenigstens für mich nicht. Bei jedem Schritt im Schiff muss ich mich an Stangen und Griffen sichern, dass es mich nicht in alle Ecken schmeisst. So halte ich mich meistens auf meinem Sitz im Cockpit auf und halte Ausschau. Mir graut es beim Gedanken, dass bei diesen Konditionen eine Nacht vor uns liegt. Doch Christian geniesst die Rauschefahrt und liest gemütlich diverse Artikel in einem Heft.
        Wir kommen wider Erwarten schnell voran und tasten uns morgens um 4 Uhr bei 30 Knoten Wind mit Sperberblicken durch die verwirrenden Seezeichen in die Bucht der Isla Mujeres, Mexiko. Der Anker sitzt zum Glück beim ersten Versuch. Müde und glücklich über die problemlose Überfahrt sinken wir für wenigstens noch ein paar Stunden in den wohlverdienten Schlaf.

        Die Gastland- und die gelbe Einklarierungsflagge sind gehisst. Am Morgen parkiert der Proficapitano unsere Samuri zwischen die engen Pfosten der Marina Paraiso bei minimalstem Aktionsraum. Wir werden freundlich empfangen, sogar auf Hochdeutsch. Das Fahrtensegler-Ehepaar Romy und Theo aus München, deren Reise wir schon über längere Zeit mit grossem Interesse auf ihrem Blog verfolgt haben, liegt mit ihrem Katamaran TiTaRo auch in der Marina. Wir fühlen uns sofort wohl und werden sehr spontan der ganzen Seglergemeinschaft vorgestellt.
        Noch steht uns das Einklarierungsprozedere bevor. Theo hat in seinen Berichten darüber geschrieben, dass es am einfachsten ist, bei der Ankunft in der Marina in Mexiko den Hafenmeister José als Agent anzuheuern und das nötige Kleingeld bereit zu halten. Wie geraten, so getan. Es geht flott voran. José, der die ganze Sache sehr professionell koordiniert, bedankt sich bei jedem Beamten persönlich, indem er ihm kräftig die Hand schüttelt. Und man stelle sich bei diesem Akt die Übergabe der Bezahlung (um nicht zu sagen „des Schmiergeldes“) vor. Nach zwei Stunden ist die Sache geritzt.
        Die Gischt und der starke Seitenwind haben Samuri auf offener See so richtig eingesalzen. Bis in die kleinsten Ritzen scheint alles schmierig zu sein. So machen wir uns mit Süsswasser vom Hafen an die Schiffsreinigung.
        Am selben Abend noch werden wir von Romy und Theo mit feinstem Essen auf der TiTaRo verwöhnt. Wir haben so richtig Zeit zum Austauschen.

        Die kommenden Tage rauschen dahin. Es gibt wie immer diverse Aufräum- und Reparaturarbeiten an Samuri zu tun, wir skypen endlich wieder einmal mit all unseren Lieben zu Hause, decken uns am Markt mit süssen Früchten und frischem Gemüse ein, lernen in einheimischen Beizli die mexikanische Küche kennen, erkunden die Insel mit einem Golfcart, geniessen unsere erste Rückenmassage unter Palmen und ich gönne mir einen Einkaufsbummel in Cancun.

        Am 7. Mai beginnen wir die Reise zu einigen Mayatempeln in Yucatan. Wir haben uns in diversen Führern über das Land und die Wurzeln der Maya eingelesen. Gerne gebe ich dir dazu vorab ein paar Informationen, die mir wesentlich erscheinen.
        Die Halbinsel Yucatan liegt im Osten Mexikos und ist ein Schatzkästchen. Die schönsten Juwelen sind Kultur, Natur und Strände. Die ersten spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert hielten Yucatan für eine Insel. Bis heute ist Yucatan ein eigenes, anderes Stück Mexiko geblieben. Die Bewohner sind in erster Linie Yucateken und Maya, erst dann Mexikaner.

        Geologisch gesehen sitzt die Halbinsel auf einer nahezu vollständig flachen Kalksteinebene, die sich oft nur ein bis zwei Meter über den Meeresspiegel erhebt. Es gibt keine sichtbaren Flüsse. In Yucatan existiert das längste Unterwasser-Höhlensystem der Welt mit bis zu 172 km Distanz. Das Regenwasser sickert durch den lockeren Kalkstein und sammelt sich in diesen unterirdischen Flüssen. Oft bricht die Kalksteindecke ein und formt eine Art Trichter, Cenotes genannt. In vielen Cenotes spiegelt sich der Kult um den Regengott Chac wider. In einigen Wasserlöchern entdeckte man aus der Zeit der Maya reiche Opfergaben, mit denen vermutlich versucht wurde, den Regengott gnädig zu stimmen, denn Trinkwasser war immer knapp. Auch Menschenopfer wurden ihm dargebracht, wie Skelettfunde beweisen.

        Die höchsten Berge erreichen in der Puuc-Hügelkette 60 Meter. Dichter, meist unberührter, subtropischer Regenwald bedeckt weite Teile der südlichen Halbinsel, in welchem Jaguar, Wildkatzen, Weissrüsselbären, Gürteltiere, Klammeraffen, Kaninchen, Leguane, Waschbären und Vögel aller Arten beheimatet sind. Tief im Dschungel begraben liegen noch unzählige alte Maya-Stätten, die die Archäologen noch für mehrere Generationen beschäftigen werden.

        Als die Forscher im 18. und 19. Jahrhundert die einstigen grossen Maya-Stätten wieder entdeckten, waren sie absolut fasziniert und begannen sich vorzustellen, die Maya hätten Kontakt gehabt zu den alten Zivilisationen im Mittleren Osten, mit Ägypten, Assyrien oder Griechenland. Einige glaubten sogar, dass die Maya die Überlebenden der untergegangenen sagenhaften Atlantis seien.
        Die Maya widmeten sich in kleinen Dörfern dem Ackerbau. Nach und nach bauten sie Mais, Bohnen und Kürbis als Grundnahrungsmittel an. Die gleichen Nahrungsmittel, ergänzt mit Schwein und Huhn, bestimmen bei den Nachfahren noch heute den Speisezettel. Yucatan ist immer noch einer der bedeutendsten Schweinefleischproduzenten Mexikos.
        Der Honig von Yucatan wurde in der ganzen Gegend berühmt und machte die Maya als fähige Bienenzüchter bekannt. Honig ist in Yucatan ein wichtiges Exportprodukt geblieben. Als wichtige Handelsware galten auch Baumwolle und die Henequén-Aguave für die Herstellung kunstvoller Textilien und Seilen. Die Salzdeponien an der Nordküste waren hoch geschätzt. Salz wurde gegen Jade, Obsidian und andere wertvolle Handelsware in der Maya-Welt getauscht. Das grösste Zentrum des Handels war seinerzeit Chichén Itzà.

        Die typische Landschaft von Yucatàn ist geprägt von luftig hohen, mit Palmenwedeln gedeckten Hütten, den sogenannten Palapas, überdimensionalen Franziskanerklöstern und zerbröckelnden Haciendas. Auf diesen Landgütern lebten einst die Henequén Barone in Saus und Braus. Die Fasern der Aguave wurden hier von unterbezahlten Arbeitern zu Seilen verarbeitet, die in alle Welt exportiert wurden, bis synthetische Fasern den Markt eroberten.
        Nach Jahrzehnten des Verfalls sind einige Haciendas als exklusive Hotels wieder auferstanden. Henequén (auch Sisal genannt) wird in Yucatan immer noch angebaut, wenn auch in erheblich kleinerem Umfang. Statt Seile für die Industrie werden aus den Fasern hübsche Taschen, Teppiche und Hängematten hergestellt.
        Das Einkommen Yucatans speist sich aus zwei ziemlich unverträglichen Quellen: Öl und Tourismus. Die Ölgewinnung bleibt glücklicherweise auf einige Inseln vor der Küste beschränkt, während der Tourismus längst grosse Teile der karibischen Küste erobert hat.
        Der weltweit populäre Badeort Cancun mit seinen Stränden an der angrenzenden Küste, Rivièra Maya genannt, empfängt heute mehr als drei Millionen internationaler Touristen.

        Der grösste lebende Schatz ist das weltweit zweitlängste Barrier-Riff mit seinen 300km. Es beherbergt tausende von Korallenarten und mindestens 18 gesunkene Galeonen. Hinzu kommen zeitweilige Meeresbesucher wie Delphine, Wale, Tarpune, Thunfische, Schildkröten und verschiedene Haifischarten.
        Um diesen Schatz zu sichern, arbeiten Naturschutz- und Umweltschutzgruppen mit dem World Wildlife Fund zusammen. Sie experimentieren mit rotierendem Anbau, versuchen die kommerzielle Fischerei zu beschränken und stellen Bewässerungsanlagen vor, die einer Farm die Selbstversorgung sichern können. Ein neuartiges Konzept der nachhaltigen Nutzung steckt in der Idee eines Biospärenreservats.

        Zurück zum 7. Mai, unserem ersten Reisetag. Die moderne Fähre setzt uns früh morgens von der Isla Mujeres nach Cancun über, wo wir ein Mietauto entgegen nehmen. Wir sind mit einem GPS ausgerüstet, besorgen uns aber zusätzlich eine Papierkarte, die uns einen Strassen-Gesamtüberblick unserer geplanten Rundreise gibt.

        Unser heutiges Ziel ist das Städtchen Valladolid, ein einstiges Mayacenter, das Zaci genannt wurde. An diesem ersten Tag steigen wir zum Cenote Zaci hinunter und sind erstaunt über das Ausmass dieses Wassertrichters. Einheimische Kinder springen von der Felskante und erfrischen sich im kühlenden Wasser. Danach schlendern wir durch einen kleinen Handwerkermarkt und werden mit der feuchten Hitze und der Windstille des Landesinnern konfrontiert. Das kann ja heiter werden! So kommt uns der begrünte Innenhof mit kleinem Pool unseres Hotels sehr gelegen. Wir brauchen einen kurzen Erholungs- und Abkühlungsschlaf, bevor wir das mexikanische Abendessen geniessen.

        Zweiter Tag: Voller Erwartungen stehen wir am frühen Morgen am Tempeleingang in Ek-Balam. Frisch und munter spazieren wir der uralten Stätte entgegen und sind gespannt auf unseren ersten Eindruck. Und er ist faszinierend! Der stattliche Palast, der erst vor wenigen Jahren ausgegraben wurde, liegt in voller Schönheit vor uns, umgeben von vielen anderen Bauten und riesigen uralten Bäumen. Wir sind die ersten Besucher und können die mystische Ruhe hier voll geniessen. Wir besteigen die steile Treppe und werden weiter eingenommen vom unendlich weiten Rundumblick über die Ebene. Wow!
        Mit diesem beeindruckenden Einstieg in unsere Kulturreise führt uns der Weg nach Chichén Itzà. Wir beziehen ein Hotel, gönnen uns ein Erholungsschläfchen und schauen uns am Abend das Licht- und Farbspektakel von diesem Tempel an.

        Dritter Tag: Besichtigung von Chichén Itzà. Für diese grösste und bekannteste Mayastätte auf der Halbinsel Yucatan nehmen wir uns einen Führer. Dieses bedeutende antike Denkmal wurde im 5. Jahrhundert gegründet und blühte 500 Jahre lang im Verborgenen, bis es zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert zur wichtigsten Stadt im Norden Yucatans wurde. Darstellungen von Kriegern, Adlern, gefiederten Schlangen und dem Regengott Chac sind hier typisch.
        Auf diesem Gelände geht es touristisch zu und her. Die Wege zu den anderen Bauten der Anlage sind gesäumt von zu vielen Souvenierständen und je älter der Tag wird, umso mehr Leute beleben das riesige Gebiet. So ist es gegen Mittag Zeit für uns, weiter nach Izamal zu reisen.
        Das Romantikhotel Santo Domingo ist unsere Schlafstätte. Wir werden sehr herzlich empfangen, relaxen am Pool, dösen in der Hängematte und werden mit feinstem Essen verwöhnt. Harald, der österreichische Besitzer, nimmt sich Zeit für uns, gibt uns Informationen über lohnenswerte Ausflüge und erzählt uns viel aus seinem Leben. Im Moment lebt er in Izamal mit seiner mexikanischen Frau Sonja und ist daran, die restlichen Boxen des ehemaligen Reitstalls in Zimmer oder Suiten umzubauen. Und er macht das mit sehr viel Liebe und grossem Flair. Auf dem Grundstück leben Hunde und Schafe, in Zukunft sollen Hühner und Pferde dazu kommen.
        Wir fühlen uns hier so wohl, dass dieses Hotel für die nächsten Tage unser „Zuhause“ wird. Es ist wie eine Oase, zu der wir nach einem kulturlastigen Tag in der glühenden Hitze gerne zurück kommen.

        Vierter Tag: Sonja und Harald nehmen uns in ihrem Privatauto mit in die elegante Kolonialstadt Mérida. Während die beiden Einkäufe fürs Hotel erledigen, widmen wir uns den Casas de las Artisanias. Christian deckt sich mit ein paar Hosen und Hemden in bester Sisalqualität ein. Und der Einkauf von Hängematten wird hier zu einem absoluten Muss.
        In der Mittagspause in einem kleinen Café machen wir eine amüsante Bekanntschaft. Wir werden von einem Mexikaner auf deutsch angesprochen, der sich als Hansi vorstellt. Er bittet uns, Alfred Schätzle, dem Avia Tankstellenbesitzer, unbedingt einen Gruss auszurichten. Er habe lange Zeit für ihn gearbeitet. Dann verrät er uns die besten Einkaufsläden, erzählt über Wetter und Kultur und erklärt uns zu guter Letzt die Herstellung des traditionellen Hutes aus Sisal. Als beste Qualität gilt nur, wenn der Hut sehr fein gewoben, klein zusammen rollbar und absolut wasserdicht ist.
        Zurück in Izamal stossen wir nach dem schmackhaften Abendessen gemeinsam auf Sonjas Geburtstag an.

        Fünfter Tag: Wir fahren nach Sayachuleb ans Meer in ein Biosphärenreservat und entdecken auf der Fahrt mit einem kleinen Boot durch die wilde Lagune einige Krokodile. Leider werden die Flamingos erst im September wieder hierher kommen. Eindrücklich sind die Salzkristalle, die wir in kleinen, langsam eintrocknenden Teichen vorfinden.
        Auf der Rückfahrt besuchen wir die Tempelstätte Aké. Der Weg ist weit, wir schwitzen. Die Temperatur steigt auch heute Nachmittag wieder gegen 40 Grad. Doch schon beim ersten Blick auf die Tempelstätte wissen wir, der Aufwand hat sich gelohnt. In Aké haben sich schon vor dem Jahr 300 die Maya-Oberhäupter getroffen, um über Bündnisse zu verhandeln. Die zuoberst stehenden 30 steinernen Säulen trugen einst ein Holzdach.

        Sechster Tag: Heute besichtigen wir die Hacienda Sotut. Eine professionelle Führung veranschaulicht uns hautnah den detaillierten Ablauf der Sisalproduktion mit den urtümlichen Techniken und Maschinen. Mit einem Pferdewagen durchfahren wir ein Aguavenfeld und besuchen einen der letzten Feldarbeiter in seiner Mayahütte. Das Bad in der romantischen Cenote bringt uns die willkommene Abkühlung.

        Siebter Tag: Die Legende des Tempels von Uxmal beschreibt, dass diese riesige Tempelstätte vom Sohn einer Hexe in einer einzigen Nacht erbaut wurde. Tatsächlich ist es natürlich das Ergebnis mehrerer Generationen. Speziell zu erwähnen sind hier einige hölzerne Türstützen, die aus dem sehr harten und robusten Holz des Sapodillabaumes angefertigt wurden. Sie haben die Zeiten überdauert. Unser Führer Dani gibt uns mit Begeisterung spannende Informationen, zeichnet für uns einen Mayakalender in den Sand und erklärt uns dessen verschiedene Zyklen, erzählt uns über den Verlauf der Ausgrabungen und gibt uns auch über Land und Volk sein Wissen gerne weiter.
        Am Abend lassen wir uns mit dem Licht, dem Farbenspiel und der Musik der Light-Show berieseln.

        Achter Tag: Wir spüren, dass wir von der umwerfenden Kultur der Maya so langsam gesättigt sind. Als letzte Tempel schauen wir uns Kabah und Labna an, nochmals majestätisch anwirkende Bauwerke. Danach fahren wir gemütlich Richtung Valladolid, dem Städtchen, in welchem unsere Reise begonnen hat.

        Neunter Tag: Es ist der definitive Rückreisetag. In Cancun legen wir eine Pause ein. Angelegt wie ein Dorf auf einer künstlichen Insel und von Sonnensegeln überspannt, lädt das Shopping Center „La Isla“ zum Flanieren ein. Danach geben wir unser Mietauto ab, nehmen die Fähre zurück zur Isla Mujeres und erreichen müde, doch reich beschenkt mit unvergesslichen Eindrücken gegen Abend Samuri.

        So wie Christian und ich Haralds Projekt bestaunen, so bewundert er unsere Segelreise. Daher kommen uns Harald und Sonja ganz spontan auf der Isla Mujeres besuchen und verbringen auf Samuri ihre erste Nacht auf einem Katamaran.

        Für uns wird es Zeit aufzubrechen. Es ist erschreckend: der obere Teil der Küste von Yucatan ist buchstäblich zugepflastert von Touristenhotels. Leider sind nur wenige optisch ansprechend oder harmonisch in die Landschaft eingebettet. Da uns dieser Küstenabschnitt nichts bietet, machen wir in grossen Schritten Weg nach Süden.

        Einen Zwischenstopp gibt es in der Puerto Aventura, einer mediterran wirkenden Hafenanlage. Hier leben Delphine, Manatees und Seelöwen wohl in Gefangenschaft, wenigstens aber in abgegrenzten Teilen des Hafenbeckens mit natürlichem Grund. Die Tiere erscheinen uns gesund und munter. Die Delphine sehen wir oft spielen und springen. Von einem Forscher, der hier Studien über Manatees macht, erfahren wir Einiges über diese drollige Spezie. Ich nutze die Gelegenheit, Delphine zum ersten Mal hautnah zu erleben. Diese faszinierenden Tiere fühlen sich sehr sanft und doch unglaublich stark an. Nach diesem Kontakt habe ich immer noch sehr viel Respekt vor diesen Tieren und bin mir nicht sicher, ob ich mich ins offene Wasser zu einem Delphin wagen würde.

        Im untersten Teil Mexikos erleben wir nochmals ein paar Tage in der unberührten Natur. Die verschiedenen Wassertiefen zusammen mit dem Licht- und Schattenspiel der Sonne mit den Wolken lassen das Wasser in all seinen Grün- und Blautönen erscheinen. Die Riffgürtel fordern uns zur genauen Navigation auf, denn auf unseren Kartenplotter können wir uns nur bedingt verlassen. Die Karte scheint nicht mehr die aktuellste zu sein und Wind und Wetter verändern doch so manches in der Natur. Für uns ist „Augapfelnavigation“ angesagt. Und ob sich dies lohnt! Bei Xcalat, unserem Ausklarierungsort von Mexiko, sehen wir ein Schiff auf dem Riff liegen, ein unschöner Anblick.

        Mit grosser Dankbarkeit an all unsere Wind- und Wettergötter und unsere geistigen Beschützer sagen wir adios Mexiko.

        Herzlichst Evelyne & Christian

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          Kuba zweiter Teil

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          Und schon sind wir wieder hier: der zweite Teil berichtet über unsere Landreise und die letzte Segeletappe in Kuba.

          Unsere Gäste Elisabeth & Wilfried sind abgereist, Christian und ich werden für die nächsten paar Wochen wieder allein sein. Die zwei folgenden Tage sind ausgefüllt mit Waschen, Putzen, Ordnung machen, Packen, das Mietauto abholen und etwas Reiseproviant einkaufen. Vor allem aber binden wir Samuri so am Steg fest, dass sie in den nächsten 10 Tagen bei jedem möglichen Wellengang optimal gehalten wird. Zum ersten Mal lassen wir unser „Zuhause“ in einem Hafen zurück und gehen auf Reise.

          Wir kommen gut voran und erreichen die Autobahn Richtung Havanna auf Anhieb. Ich betone dies, weil in Führern die Beschilderung von Strassen und Richtungen in Kuba generell als schlecht beschrieben wird. Doch es sieht so aus, als hätte sich in den letzten Jahren diesbezüglich Einiges verbessert.
          Auf Kubas Autobahnen ist etwas los. Tiefe Schlaglöcher sind keine Seltenheit. Ein paar hundert Meter vor uns kreuzt gemütlich ein Pferdefuhrwerk die Strasse. Am Rande strampelt ein Velofahrer in der Gegenrichtung in der brütenden Hitze seine Kilometer ab. Immer wieder sehen wir im Schatten einer Brücke eine grosse Menschenmenge stehen. Die Leute warten auf einen Bus, der jedoch nur spärlich und oft schon voll beladen vorbei kommt. Also drängen sie fast mitten auf die Fahrbahn, winken und versuchen, Privatautos zu stoppen und dadurch eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Es gibt praktisch keine verlässliche öffentliche Verkehrsmittel, die die Kubaner zur Arbeit bringen. Also müssen sie täglich per Autostopp von A nach B reisen. Von Pünktlichkeit dieser Arbeitnehmer kann keine Rede sein.

          Unsere Fahrt verläuft prima. Mit der Strassenkarte lotst mich Christian mitten in die Stadt Havanna. Im Casa Particulares von Carlos haben wir drei Nächte reserviert. Wir schleppen das Gepäck in den dritten Stock und werden herzlich begrüsst. Wir bekommen die ersten Touristentipps und schon stehen wir mitten im Puls der Hauptstadt Kubas. Es ist windstill, sehr heiss, hat viele Menschen, hupende Autos, noch mehr Citytaxis (Velos) und es stinkt nach Abgas. Es treibt uns den Schweiss aus den Poren.
          Unser erstes Ziel ist der Parco Central, der gesäumt ist von grossen Hotels, einem alten Kino, dem Gran Teatro und dem marmorschweren und säulengewaltigen Capitolio, einer originalgetreuen Kopie des Washingtoner Kapitols. Die Mitte des Parks krönt eine Statue von Jose Marti, dem wichtigsten Unabhängigkeitskämpfer Kubas, umrandet von riesigen Königspalmen. Wir setzen uns im Schatten auf eine elegante Marmorbank und lassen uns beeindrucken. Es ist laut, der Verkehr rollt hektisch, in der heissen Ecke diskutieren Baseball-Fans leidenschaftlich über ihren Sport (und dies tun sie jeden Tag!) und die Jineteros sind eifrig am werben. Unser Blick schweift zu den Gebäuden. Wir sehen alte, schmutzige und bröckelnde Fassaden. Wir stellen uns den Park in seiner Blütezeit vor. Wie wunderschön muss er ausgesehen haben. Doch heute lechzen so viele der ehemaligen Prachtbauten im Art-Deco- und Jugendstil nach Renovierung.

          Aufgrund seines einmaligen kulturhistorischen Wertes erklärte die Unesco Havannas historisches Zentrum 1982 zum Kulturerbe der Menschheit. Erste Sanierungsmassnahmen wurden eingeleitet, die allerdings nach kurzer Zeit ein abruptes Ende fanden. Kuba wurde Anfang der 90-ziger Jahre durch die politischen Veränderungen in Osteuropa von der bisher schwersten Wirtschaftskrise erschüttert. Es blieb einfach kein Geld für eine Sanierung übrig. Und nach jahrzehntelanger Vernachlässigung ist ein Grossteil der knapp 4000 Gebäude der Altstadt baufällig und einsturzgefährdet.
          1993 wurde dem Büro des Stadthistorikers die Verantwortung für ein neues Sanierungsprojekt übergeben. Die Ergebnisse sind heute beeindruckend, sofern man sich in der einen Einkaufsstrasse oder auf den grossen Plätzen aufhält. Besucht man aber den südlichen Teil der Altstadt, erkennt man das Ausmass des Zerfalls.
          Havanna hat zwei grosse Probleme. Zum einen ist die Bevölkerungsdichte sehr hoch. Im nur 2 km2 grossen historischen Zentrum leben etwa 70‘000 Menschen. Die meisten der Häuser sind überbelegt. Historische Gebäude wurden sogar zu Wohnhäusern umfunktioniert.
          Das zweite Problem ist der schlechte Zustand der Bauten durch mangelnde Instandhaltung. Über 400 Gebäude, also mehr als 10% des gesamten Baubestandes der Altstadt, sind bereits vollständig eingestürzt. Rund die Hälfte aller in der Altstadt liegenden Wohnungen haben undichte Dächer oder Risse im Mauerwerk. Bei einem Viertel sind Teile des Fussbodens eingebrochen. Zudem befinden sich die Wasser-, Abwasser- und Gasleitungen in einem kläglichen Zustand, teilweise stammen sie noch aus dem 19. Jahrhundert.
          Es stimmt uns traurig, wenn wir all die Menschen sehen, die in diesen Behausungen leben müssen. Gäbe es in Havanna nur einen Hauch eines Erdbebens, die Stadt und alle Menschen dazu wären vermutlich erloschen.

          Die nächsten zwei Tage flanieren wir nicht nur durch die Altstadt, wir schauen uns auch die äusseren Stadtteile an, besuchen Museen, lassen uns in der Rumfabrik die Produktion des berühmten Wassers erklären, essen ganz fein im bekanntesten Paladar Kubas „La Guarida“, das vom Film „Erdbeer und Schokolade“ berühmt ist, verschaffen uns von der Dachterrasse eines Hotels einen Ausblick über Havanna, bleiben ab und zu bei einer Bar stehen und lassen uns von den heissen Rhythmen der Strassenmusiker mitreissen und erleben noch vieles mehr. Es würde zu weit führen, hier alle Details aufzuzählen.
          Wenn wir in den letzten drei Tagen das Gefühl bekommen haben, eine Zeitreise durch fünf Jahrhunderte gemacht zu haben, dann hat uns der letzte Abend in der grössten Stadt der Karibik wieder ins 21. Jahrhundert zurückgebracht. Wir sitzen im Tropicana, dem legendären Nachtclub Kubas und sehen uns eine der vier weltweit grössten Shows an. Seit 1993 wirbeln hier die besten und schönsten Tänzerinnen und Tänzer Kubas in atemberaubenden Kostümen über die Bühne. Das ist wirklich eine lohnenswerte und beeindruckende Touristenattraktion!

          Nach drei anstrengenden Tagen in der Grossstadt freuen wir uns auf die Weiterreise in ländlichere Gegenden. Wir fahren durch viele Kaffeeplantagen und die waldreiche Hügellandschaft ins Tal des Rio Manantiales. Das Gebiet gehört zum Biosphärenreservat Sierra del Rosario.
          In Soroa bewundern wir im Orchideengarten nur einige der 6000 Pflanzenarten, die hier wuchern sollen, 30% davon auf dem Grund, der Rest rankt als Epiphyten von Bäumen. Danach wandern wir die steile Treppe hinab zum Wasserfall, der leider wegen der Trockenzeit nur wenig Wasser über die begrünte Felswand plätschern lässt. Christian zieht es zur Abkühlung ins natürliche Schwimmbecken. Während unserem Picknick aus dem Rucksack lauschen wir den schwirrenden Libellen, dem hämmernden Specht, den raschelnden Blättern im sanften Wind und dem Rufen eines Esels.

          In der Stadt Pinar del Rio besichtigen wir die Tabakfabrik. Die Luft in der Manufaktur ist gefüllt vom Aroma getrockneter Tabakblätter, die von geschickten Händen bis zum kunstvollen Endprodukt gerollt, geschnitten und geklebt werden.
          Einmal mehr haben wir das Gefühl, die Zeit sei hier stehen geblieben. Die Menschen verrichten Akkordarbeit, bis zu 100 Cigarren pro Tag, sitzen auf unbequemen Holzstühlen mit einer halb kaputen Sitzfläche, die uralten Tische sind eng nebeneinander gereiht, der Raum ist niedrig und dunkel und die Hitze ist drückend. Die Arbeitsgeräte der Frauen und Männer sind einfach, doch funktionell. Es ist unverkennbar, dass absolutes Fingergeschick notwendig ist, um eine perfekte Cigarre mit der richtigen Menge Pflanzenblättern, glattem Deckblatt und rundem Mundstück herzustellen, die beim Rauchen dann auch noch den richtigen Zug hat. Wer hier arbeiten will, muss die zwei Prüfungen nach je neun Monaten Lernzeit bestehen.

          Unsere Fahrt führt uns weiter durch eine der grössten Naturschönheiten Kubas, durch das Vinales-Tal. Aus rotgefärbten Talböden steigen grün überwachsene Kegelfelsen wie Domkuppeln empor, die von den Einheimischen liebevoll Elefantenrücken genannt werden. Diese sogenannten Mogotes weisen auf Grund ihres Wachstumsmilieus einen eigenen Vegetationstyp auf. 20 endemische Pflanzenarten spriessen nur hier im Vinales-Tal. Der exotischste Vertreter der reichhaltigen Flora dieser Region ist die Korkpalme, die schon 250 Mio. Jahre alt ist und deshalb als lebendes Fossil bezeichnet wird.
          Julio gibt uns in einer vierstündigen Wanderung all sein Wissen preis über die Bauern, die hier in verstreuten Bauernhäusern im traditionellen Bohio-Stil oder in Trockenschuppen leben, die mit Palmwedeln gedeckt sind. Die Menschen halten hier Hühner, Schweine und Pferde und pflanzen auf den fruchtbaren Äckern neben Tabak auch Kaffee, Reis und Gemüse an. Die Arbeitsbedingungen sind aber keineswegs idyllisch wie die Landschaft. Der Boden wird in Schwerstarbeit mit archaisch anmutenden Ochsengespannen gepflügt.
          Im Haus des Bauern Bartolo dürfen wir nochmals aus nächster Nähe die Kunst des Tabakrollens bewundern und rauchen danach im Kreise seiner Familie die „Friedenspfeife“.
          Das Wanderprogramm führt uns auf dem Heimweg durch die Höhle Gran Taverna de Santo Tomas.

          Auf unserer Landreise schlafen wir jede Nacht in einem anderen Casa Particulares. Das absolute High-Light erleben wir in Santa Clara bei Angelo. Er lebt mit seiner Familie in einem riesigen Haus, das nur so strahlt von kolonialer Pracht. Die Möbelstücke und Wandbilder erschlagen uns buchstäblich in den völlig überladenen Räumen, um so mehr geniessen wir den üppig bewachsenen Innenhof mit Obstbäumen und blühenden Orchideen. Hund und viele Vögel fühlen sich hier offensichtlich auch sehr wohl. Das Nachtessen schmeckt vorzüglich und ein so reichhaltiges Frühstück bekamen wir in ganz Kuba nicht serviert.
          In Santa Clara schauen wir uns die Gedenkstätte Che Guervaras an. In diese Kultstätte Kubas pilgern jährlich über 200‘000 Besucher zum Monumento Nacional y Memorial.
          „Der Mythos Che Guevara hat bis heute, über 40 Jahre nach der Hinrichtung des Revolutionsführers, nichts von seinem Glanz eingebüsst und die Ideen Guevaras spielen nach wie vor eine grosse Rolle in der kubanischen Gesellschaft. Von Jung und Alt wird er verehrt und seinem Abbild begegnet man fast an jedem Ort. Schon in der Schule wird Guevara den Kindern als grosses Vorbild präsentiert und die Ziele werden hoch gesteckt: „Seamos como el Che - Seien wir wie Che“.

          Trinidad finden wir die reizendste Stadt. Sie wirkt wie ein koloniales Freilichtmuseum. Mit roten Ziegeln gedeckte Häuser säumen die engen Gassen, Hufeisen und Kutschen klappern über die Kopfsteinpflaster, alte Menschen halten ein Schwätzchen oder drei Generationen setzen sich vors Haus und spielen kubanische Rhythmen. Zum Nachtessen zieht es uns in ein neu eröffnetes Paladares und wir sind entzückt von der hinreissenden Tanzgruppe und der Hausmusik.

          Nach 10 Tagen treten wir die Rückfahrt an und erleben auf den Strassen Kubas nochmals etwas sehr Ungewohntes. Zu hunderten, wenn nicht zu tausenden zappeln die grossen Landkrabben umher. Glückspilze schaffen es, ungeschoren über die Strasse zu kommen, doch viele liegen halb platt gedrückt oder schon vertrocknet auf dem glühenden Asphalt. Als Autofahrer hast du keine andere Wahl, als in hoher Geschwindigkeit drauflos zu fahren, nach bester Möglichkeit auszuweichen oder halt darüber zu rasen. Die Krabben stellen nämlich bei Gefahr ihre Zangen in die Luft. Trifft ein Reifen in langsamem Tempo auf diese messerscharfen Dinger, riskierst du einen Platten. Also gibt es nur eines: Augen zu und durch!
          Im Hafen von Cienfuegos finden wir eine unversehrte Samuri vor. Schön, wieder zu Hause zu sein.

          Nach zwei Tagen sind wir bereit, das Wetter ist perfekt und es heisst: Leinen los!
          Auf der Segeletappe von Cienfuegos bis Maria la Gorda finden wir Zeit, die unvergesslichen Eindrücke unserer Landreise zu verdauen und stellen fest, dass wir froh sind, dieses Land mit seinem einschnürenden Sozialismus bald verlassen zu können. Auch wenn wir Wunderbares erlebt haben, freuen wir uns wieder auf eine weniger bedrückende Zivilisation mit Menschen, die sich frei fühlen und Entwicklungs- und Zukunftsmöglichkeiten in ihrem Leben haben dürfen.

          An Bord führen wir einen Speer zum Fang von Krustentieren mit. Da Kuba das Schlaraffenland für Langusten ist, kann es Christian kaum erwarten, all die wertvollen Tipps, die er von anderen Seglern übers Speeren bekommen hat, umsetzen zu können. Sind wir jeweils am Nachmittag vor Anker, schnorchelt Christian bewaffnet zum nächstgelegenen Riff und sucht nach Beute - leider immer wieder erfolglos. Und unsere Zeit in Kuba ist doch gezählt. So setzt er all seine Hoffnungen auf eine der letzten Buchten, die sogar im Führer als Fangplatz für Langusten beschrieben wird. Da fahren wir mit dem Dinghi zum Riff. Ich bleibe vorderhand an Bord, um einen eventuellen Fang entgegen zu nehmen. Christian geht ins Wasser und schon nach kurzer Zeit ruft er: „es wimmelt von Langostas!“

          Das erste Tier ist durchstossen. Christian schwimmt damit zu mir. Ich halte den Speer mit dem zappelnden Tier. Christian setzt sich auf den Rand des Dinghi. Er zieht sich Handschuhe über und tötet die Languste mit dem Tauchmesser durch einen Stich in den Kopf. Den essbaren Schwanz trennt er mit einer Drehung vom Körper ab. Der Kopf wird zu Fischfutter, das Menschenfutter landet im Korb und abends auf dem Grill. Die heutige Beute beläuft sich auf drei Stück. Ist doch ein lobenswerter Anfang.

          Es ist fast frech, dir zu erzählen, dass am Tag danach dreizehn Langustenschwänze in unserer Kühltruhe landen. Christian wird innert kürzester Zeit zum „Speer-Profi“.

          In jedem Hafen, den wir anlaufen, müssen wir uns neu anmelden. Auch in Maria la Gorda gehen wir als erstes zur Zollbehörde. Wir treten in einen sehr kleinen, miefenden Raum einer Hütte und überraschen zwei Männer vor dem Fernseher, der auf dem Pult steht. Wir dürfen uns auf Stühle setzen und sind froh, dass sie halten. Der Zollbeamte zieht sich ein weisses Hemd über, dann erledigt er die Formalitäten, indem er mit Bleistift für uns unwichtige Dinge, wie zum Beispiel die PS des Dinghimotors, in ein riesiges, uraltes Buch kritzelt und natürlich unsere Pässe mit dem Visum kontrolliert. Immer wieder greift er zum Telefon und referiert mit lauter Stimme. Der andere Mann unterhält sich in der Zwischenzeit mit uns auf englisch über belanglose Dinge. Diskret schauen wir uns etwas um. Gleich im anschliessenden Raum stehen zwei Stahlbetten ohne Leintücher. Es ist das Schlafzimmer. Mehr gibt es nicht in diesem Haus, ausser einem etwa 40 cm langen jungen Krokodil, das uns vom Zollbeamten als Schiffshaustier angeboten wird, nachdem wir seine Frage „liebt ihr Haustiere?“, mit "ja" beantwortet haben. Wir lehnen dankend ab!
          Das Einklarieren geht gut, von jetzt an dürfen wir uns auch in diesem Ort frei bewegen.

          Wir liegen vor Anker und bekommen plötzlich schnorchelnden Besuch. Der englisch sprechende Mann Namens Adin, den wir vom Hafen her kennen, möchte sich gerne Samuri ansehen. Wir laden ihn ein, er steigt an Bord, doch sein Blick huscht immer wieder zum Hafen rüber, denn er darf nicht gesehen werden. Kuba verbietet seinen Bürgern jeglichen Kontakt mit Touristen, sprich mit der Aussenwelt. So könnte das Übertreten dieser Vorschrift für Adin Folgen haben.
          Es ist ein absoluter Traum für den Kubaner, einmal auf einem Katamaran zu sein. Wir fotografieren Adin am Steuer, er strahlt übers ganze Gesicht. Die ausgedruckten Bilder bringen wir ihm am anderen Tag vorbei. Er freut sich riesig, bedankt sich herzlich und will uns ein Geschäft vorschlagen. Er stellt uns eine Frage: „habt ihr gerne Haustiere?“ Natürlich beantworten wir die Frage mit "ja" und sind mal gespannt. Adin schlägt uns ein Tauschgeschäft vor: SEIN Krokodil gegen den kleinen Laptop, den er auf unserem Schiff gesehen hat.....
          Zum guten Glück fürchte ich mich enorm vor Krokodilen :-).

          In Cayo Largo und Maria la Gorda buchen wir in Ferienresorts ein paar geführte Tauchgänge. Zu unserer grossen Freude treffen wir eine intakte Unterwasserwelt an. Die absolut klare Sicht erlaubt uns, viele Hart- und Weichkorallen und verschiedenste Riff-Fische farbig und sehr deutlich zu sehen. Wir tauchen durch Canyons mit eindrücklichen Felsformationen und entlang von Steilwänden. Der Blick dabei nach unten ins dunkle Blau lässt nur erahnen, wie hier das Meer in unergründliche Tiefe fällt.

          Am letzten Tag in Kuba umrunden wir das westliche Kap San Antonio und verlassen das Land morgens um 10 Uhr nach zwei Monaten Aufenthalt. Wir freuen uns auf eine neuartige Kultur, andere Menschen, auf unser nächstes Abenteuer in Mexiko.

          Wir schicken dir viel Sonne und herzlichste Grüsse - hasta la vista!

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