Törnberichte

Tuamotus II

  • Freitag, 21. Dezember 2012
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Schönen guten Tag. Ich hoffe sehr, dass dich unser letzter Blog in diesem Jahr bei bester Gesundheit erreicht.

Vielleicht erinnerst du dich aus dem letzten Bericht, dass wir auf ein geeignetes Wetterfenster warteten, um zurück in die Tuamotus zu segeln. 

Gute 50 Stunden sind wir unterwegs. Die Wetterverhältnisse sind optimal. Nachts jedoch  ist es recht kühl. Ich hätte Socken und eine dicke Jacke überstreifen müssen. Stattdessen hole ich mir Hals- und Ohrenschmerzen und muss mich die folgenden Tage zum ersten Mal auf unserer Reise mit Fieber ins Bett legen. Das Schöne daran ist, dass ich mir Zeit zum Genesen nehmen darf, denn wir haben keine Eile mehr. Wir befinden uns schon nahe dem Atoll, in welchem wir Samuri von November bis März auswassern werden. Es liegen nur noch kleine Schläge vor uns.

Noch einmal freuen wir uns auf Besuch. In Fakarava empfangen wir Christians besten Freund Peter. Vor 32 Jahren haben sich die beiden in der Stifti bei Gebrüder Sulzer AG in Winterthur kennengelernt. Seither gedeiht diese Freundschaft und wird in diesen gemeinsamen Ferien erneut gestärkt.
Peter kommt mitten aus der strengen Arbeitswelt und sehnt sich nach Erholung pur. Da ist er bei uns bestens aufgehoben. Oder doch nicht?

Am nächsten Morgen schon muss Peter als Hilfsmatrose zum Dienst antreten. Die Leinen der Genua müssen eingefädelt werden, die "Muckis" werden beim Grossegel hissen trainiert und Peters Beine werden auf Seegang getestet. Wir verlegen in einem kurzen Schlag Samuri an einen ruhigen Ankerplatz. Kaum angekommen, wassern wir das Dinghi und sausen zu einem Schnorchelplatz. Tauchbrille tragen und durch den Schnorchel atmen ist nicht unbedingt Peters Lieblingsbeschäftigung. So geniesst er das warme Nass lieber mit dem Kopf über Wasser. 

Peter mag es, im Hier und Jetzt zu sein, ist überwältigt von der Schönheit der Natur und saugt die Farbtöne des Wassers, die Stimmungsbilder der Wolken und den nächtlichen Sternenhimmel auf wie ein Schwamm. Er hat sogar das Glück, Delphinen und einem Buckelwal begegnen zu dürfen. 

Für mich ist es herrlich, die beiden Männer an Bord zu beobachten. Oftmals schwelgen sie in Jugenderinnerungen und der eine holt dem anderen ein vergessenes Erlebnis hoch. Oder sie können sich schon mal ziemlich heftig streiten. Ein anderes Mal wird technisches Wissen ausgetauscht, das Elektrotableau auf Fehler geprüft, Ideen für Optimierungen ausgetüftelt , Maschinen seziert, es wird geschraubt, geölt, geschmiert oder über diese und jene Installation an Bord gefachsimpelt. Peter und Christian sind in ihrem Element.

Heute ist Herrenabend. Die beiden Freunde tuckern an Land. Mit dabei haben sie einen Rost, zwei Stücke Fleisch, zwei Maiskolben, eine Flasche Wein, eine Cigarre, die Machette und ein scharfes Messer. Sie geniessen den Sonnenuntergang und ihre gemeinsame Zeit am Lagerfeuer. Überraschenderweise finden die Jäger auf ihrer Pirsch durch das Dickicht eine grosse Kokoskrabbe, die leider keine Viertelstunde später als leckere Nachspeise auf dem Grill brutzelt. 
Die Kokoskrabben bewohnen den unbewirtschafteten Kokospalmenwald. Das Tier hat 6 Beine und zwei unglaublich starke Scheren. Es ernährt sich von Kokosnüssen, daher sein Name. Uns ist es ein Rätsel, wie eine Krabbe mit ihren Scheren ein rundes Loch in eine Kokosnuss bohren und danach das ganze Fleisch herausschälen kann. Doch all die leeren Nüsse mit Loch, die herum liegen, sind Beweis genug. 
Die zwei Ferienwochen mit Peter verstreichen im Nu. Vom Atoll Rangiroa aus fliegt er nach Hause, gestärkt und motiviert für die letzten Geschäftswochen des alten Jahres.

Christian und mir bleiben jetzt noch gute drei Wochen bis zum Abreisetermin von Französisch Polynesien in unseren Heimataufenthalt. Wir verbringen geruhsame Tage an unseren Lieblingsplätzen. Christian unternimmt drei Tauchgänge in verschiedenen Pässen der Atolle und ist begeistert von der Menge und der Vielfalt der Fische und deren Vertrautheit Tauchern gegenüber. Noch nie hat er eine so reiche Unterwasserwelt erleben dürfen. 
Ich selber fröne meinem neuen Hobby und verarbeite bunte Stoffe zu Tüchern, Kissenanzügen und Tischsets. Für die Farbkombinationen der Ketten aus Glasperlen kann ich mich völlig auf Mutter Natur verlassen. 

Inzwischen liegen wir schon ein paar Tage an einer Boje vor der Familien-Werft in Apataki und sind mit kleineren Arbeiten beschäftigt, um Samuri auf ihren Winterschlaf vorzubereiten.  Endlich lässt der Wind nach. Es hat praktisch keine Wellen. Heute ist ein guter Tag, um Samuri auszuwassern. 

Christian steuert das Schiff ans Ufer. Familienoberhaupt Alfred sitzt auf dem Traktor, Sohn Toni bedient den Schlitten, 2 Helfer und Grossvater Assam stehen auch bereit. Samuri wird an den 4 Eckklampen angebunden und gesichert. Dann wird der Hydraulik-Schlitten zwischen die beiden Schiffsrümpfe ins Wasser gefahren. 4 Träger, die Samuri stützen und anheben, werden positioniert. Der Traktor muss jetzt den Schlitten mit der Yacht aus dem Wasser ziehen. Er röhrt und braucht seine ganze Motorkraft, die kaum auf den rutschigen Boden gebracht werden kann. Zentimeter um Zentimeter kommt Samuri aus dem Wasser. Der Kiel ist nur etwa 5 Zentimeter über dem Boden. Dann geht nichts mehr.
Der Traktor braucht zusätzlich die Kraft der Schaufel, die er in eine Kette einhakt. Vier Männer stellen sich als Gewichtsverstärkung auf das Gefährt. Alfred bedient mit viel Gefühl Gas, Kupplung und Baggerschaufel synchron. Der Verbindungsbolzen zwischen Traktor und Schlitten muss immer wieder mit einem Hammer eingeschlagen werden...  
Ich erlebe bange Minuten. Es geht um unser ganzes Hab und Gut. Nach einer guten Stunde gibt es Entwarnung und Samuri steht unversehrt an Land. 
Ein herzlicher Dank geht an die ganze Crew der Werft!

Die folgenden Tage erledigen Christian und ich viele kleine Arbeiten nach Checkliste. Das heisst, wir montieren die Segel und alle äusseren Utensilien ab und verstauen sie im Innern, reiben alle Wände mit Essigwasser ab, der Wassermacher wird stillgelegt und Tiefkühler und Kühlschrank werden abgetaut. Die Esswaren sind aufgebraucht, die Vorräte luftdicht abgepackt, die Wäsche ist sauber und vieles, vieles mehr.

Am 21. November sind die Koffer gepackt. Grossvater und Sohn der Familie Lau bringen uns in ihrem kleinen Motorboot in das Dorf des Atolls, wo wir auf die Transportfähre Cobia umsteigen. Sie wird uns auf Umwegen über mehrere Atolle in drei Tagen nach Papeete, der Hauptstadt von Tahiti, bringen. 
Und da hocken wir nun inmitten von Einheimischen auf der einzigen harten Bank hinten im Heck, einmal auf der rechten, dann wieder auf der linken Pobacke. An Bord gibt es weder zu trinken, noch irgend etwas Essbares zu kaufen. Zum Glück haben wir uns vorher bei der Werftbesitzerin Pauline erkundigt und wussten somit, was uns erwartet. So habe ich die Mahlzeiten für die drei Tage vorgekocht und uns ein grosses "Fresspacket" vorbereiten können. Auch das Trinkwasser mussten wir mitschleppen. 
Die Cobia ist das Versorgungsschiff, das alle zwei Wochen einige Atolle der Tuamotus anläuft und die Inselbewohner mit Waren jeglicher Art beliefert. Du musst dir vorstellen, dass es auf einem Atoll einfach nichts gibt. Von den Baumaterialien über Werkzeuge und von den Möbeln über Kleider und von den Kochutensilien bis zu den Esswaren - alles muss angeliefert werden. 

Das Einzige, was die Natur liefert sind Regenwasser, Kokosnüsse und Fische. Das Wasser wird in grossen Tonnen gesammelt. Auf einigen Atollen kann auch nach Grundwasser, das jedoch leicht brackig ist, gebohrt werden. 
Die Kokosnüsse werden aufgeschlagen, das Fleisch, die sogenannte Kopra, wird an der Sonne getrocknet und zum Verkauf und zur Weiterverarbeitung mit der Cobia nach Tahiti gebracht. Auch die Fische können die Inselbewohner nach Tahiti auf den Markt liefern.

Immer wieder schauen wir dem emsigen Treiben zu, das sich jeweils abspielt, wenn die Cobia ein Atoll anläuft. Der Ladenbesitzer, der Restaurantbetreiber, der Private - alle Menschen strömen herbei, wenn das Schiff kommt. Das Quai wird zum Umschlagplatz für alle Güter.
Uns wird richtig bewusst, welch wichtiges Transportmittel die Cobia für die Atollbewohner ist. Was die Menschen an Fisch und Kopra verkaufen können, bringt ihnen etwas Geld ein, mit welchem sie sich etwas kaufen können, um das Leben auf der Insel einfacher zu gestalten.

Die Fahrt mit der Cobia wird zum unvergesslichen Erlebnis, leider der negativen Art. Die Hygiene, die Schlafplätze, die Aufenthaltsmöglichkeiten und der enorme Lärm an Bord waren grenzwertig, sogar für Christian, und das will etwas heissen. 

Nach der viertelstündigen Dusche im B&B "Fare Suisse" in Papeete und einem feinen Espresso sind diese Strapazen schon fast vergessen. Zur Erholung schlendern wir gemütlich durch Papeete, schlagen uns den Bauch voll in einem Roulotte und amüsieren uns bei einem Drink in einem Restaurant, in welchem Karaoke gesungen wird. Vielleicht denkst du jetzt "ohje"! Doch es war alles andere als lachhaft. Freunde und Familie gehen miteinander in den Ausgang, spornen sich gegenseitig an und singen mit wundervollster Stimme polynesische Lieder oder rocken zu einem alten Song von Elton John. Es ist absolut rührend! Manch einer singt hundertmal besser all die jungen Superstars.

Neun Stunden Flugzeit versetzen uns in einen Kulturschock - Los Angeles, die Stadt der Träume! Hier ein kurzer Abriss mit ein paar Informationen über diese 3,8 Mio.-Stadt:
Die Wohlstandsunterschiede sind so krass wie in fast keiner anderen Weltmetropole. Im Grossraum L.A. leben mehr als 250 000 Millionäre, während fast 20 Prozent der Menschen ein Leben unter der Armutsgrenze bewältigen. 
In L.A. gibt es mehr als 230 Mio. registrierte Fahrzeuge. Zusammen legen L.A.s Einwohner täglich 300 Mio. Meilen durch die Stadt zurück. L.A. ist damit die Stadt mit den meisten Verkehrsstaus und der höchsten Luftverschmutzung der Welt. 
L.A. hat die höchste Konzentration von Privatpools in der ganzen Welt. 
In L.A. ist fast jeder zweite Bürger Ausländer. 
L.A. ist die Trendschmiede, Hollywood die PR-Abteilung der Nation. "In" ist grundsätzlich alles, was die Stars machen. 
In L.A. wurde die erste Botoxparty erfunden, dann die 30-Minuten-Brustoperation in der Mittagspause. 
Gesundheitsbewusste, New-Age-Anhänger und Fitnessbegeisterte sind ganzheitlichen Lebensansätzen verschworen. Es gibt mehr Akupunkturkliniken, Wunderheiler, Therapie- und Yogazentren als anderswo. 
Und an keinem anderen Ort der Welt wird so viel über das Alter gelogen wie in L.A. Die Schauspieler tun es, um im Geschäft zu bleiben. Der Rest tut es, um in dieser vom Jugendwahn besessenen Stadt mitzuhalten. Während der Rest der USA verfettet, arbeiten auch die Pensionäre an ihren "Sickpacks". 
Neben der Filmindustrie besitzt die Stadt eine hochgradig diversifizierte Wirtschaft. L.A. ist das drittgrösste Wirtschaftszentrum der Welt, nach New York und Tokio.
Die Häfen von L.A. sind Amerikas wichtigster Umschlagplatz mit Asien. 
Weitere bedeutende Branchen sind Tourismus, Mode, Wissenschaft und Forschung, Technologie, Bildung sowie die Flugzeug- und Raumfahrtindustrie. 

Schaue ich auf den Stadtplan, stechen mir vier Bezirke ins Auge: Santa Monica / Venice, Beverly Hills, Hollywood und Downtown. Von all diesen Gebieten verschaffen wir uns in den drei Tagen einen kleinen Einblick.

Beim Autovermieter lässt sich Christian von einem Upgrade vom kleinen Stadtflitzer zu einem Ford-Mustang Cabrio überzeugen. Das GPS ist installiert, das Dach geöffnet, das Halstuch montiert, die Heizung auf Hochtouren an... Wir kurven nach Venice und schlendern durch das Kanalsystem, das anfangs des 20.Jahrhunderts von einem Italiener errichtet worden ist. Wir bestaunen die Holzhäuser, die einst als Ferienbungalows dienten und heute gemischt sind mit kreativen Beispielen moderner kalifornischer Architektur. 
Der breite Sandstreifen in Santa Monica ist von Luxushotels gesäumt. Bei einem Spaziergang beobachten wir Wellenreiter, die Jungen auf den Skatebords, das lustige Treiben der Strassenkünstler, eine Trommelgruppe und treffen Jogger, Radfahrer, Hippies die Ramsch verkaufen und tausende von Menschen mit Tätowierungen. 

Am zweiten Tag ist Hollywood geplant. Um den Hollywood- und Sunset-Boulvard herum finden wir ein weiteres Touristenzentrum mit dem Walk of Fame, wo Sterne der Stars den Bürgersteig schmücken. Weiter beeindrucken uns das Chinese Theatre, auf dessen Vorplatz Hand- und Fussabdrücke von Leinwandikonen im Boden eingedrückt sind. Dann sehen wir das Kodak Theatre, in welchem die Oskars verliehen werden. 
Das berühmte Markenzeichen Hollywoods mit den 15 Meter hohen Buchstaben steht hoch in den Hügeln. Auch ich will anscheinend etwas zu hoch hinaus. Der Sprung für mein Star-Foto endet mit einer Bruchlandung, welche dazu führt, dass  mich Christian mit dem Rollstuhl durch die langen Gänge in den Flughafengebäuden kurven muss. Er übt schon mal aufs Alter hin, hihi. 
Während der Nachmittagsfahrt auf dem kilometerlangen Mullholland Drive finden wir mehrere Aussichtspunkte, von denen aus wir die ausgedehnte Stadt und das Meer nur erahnen können, weil die Sicht leider von leichtem Nebel beeinträchtigt wird. 
In Beverly Hills scheint das Geld buchstäblich auf der Strasse zu liegen. Ferrari, Rolls Royce, Porsche, Bugatti, Mercedes und BMW kreuzen langsam durch die Strassen und teuerste Edelboutiquen aller grossen Designer reihen sich aneinander. Die Fahrt durch den Rodeo Drive ist enttäuschend. Wir haben uns die edlen Villen grandioser vorgestellt. Diese liegen eher im Dornröschenschlaf oder vor unseren Augen gut versteckt. 

Der dritte Tag führt uns in die Innenstadt. Vom  reichhaltigen Gemüse- und Fruchtmarkt aus bringt uns eine historische Miniseilbahn mitten ins reine und sehr belebte Businessviertel. Umgeben von Wolkenkratzern spazieren (oder humpeln) wir über grosszügige Plätze mit öffentlichen Kunstwerken oder Plastiken, die überall verstreut stehen. 
Die "Walt Disney Concert Hall" ist das Zuhause der Los Angeles Philharmoniker. Das 274 Mio. Dollar schwere Konzerthaus war betreffs Harmonie, Form und Akustik eine Herausforderung für den Architekten Frank O. Gehry. Hier gibt es keine einzige gerade Wand. Das Gebäude gleicht einer Ansammlung von geblähten Segeln aus glänzendem Edelstahl, die Wind und Wetter reflektieren. Für uns ist dieses Gebäude das Highlight dieser Grossstadt. 
Auch die "Cathedral of our Lady of the Angels" beeindruckt uns sehr. Sie wurde 2002 eröffnet und ist die drittgrösste Kathedrale der Welt. Der schlichte Bau fasst 3000 Besucher und nochmals 6000 finden draussen auf dem Kirchhof Platz.

Unsere beiden Hirnhälften finden am Abend die Entspannung und den Ausgleich im Kino. Wir "ziehen uns den neuen James Bond Film rein". 

Erneut heisst es Koffer packen. Wir haben noch zwei Flüge vor uns und dann werden wir in der Heimat sein.

Ja, und hier sind wir seit genau drei Wochen. Von all unseren Lieben wurden wir herzlichst empfangen. Wir geniessen den Schnee, die vorweihnachtliche Stimmung und all die Schweizer Leckereien sehr. Nur die anfangs 40 Grad Temperaturunterschied und die trockene Luft machen uns leicht zu schaffen.

Wir durften wiederum ein Jahr mit viel tief gehenden Eindrücken und bereichernden Begegnungen erleben. Es gluschted uns noch nach mehr - die Reise geht weiter. Wohin, siehst du in unserer Rubrik "Standort" der Website.

Wir danken dir für dein Interesse und der indirekten Teilnahme an unseren Erlebnissen, und wir wünschen euch allen schöne und erholsame Festtage und ein positives und erfreuliches 2013!

Alles Gute und herzliche Grüsse

Evelyne & Christian

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